Kommentar:Das Schweigen durchbrechen

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Eine Initiative des Landkreises will häusliche Gewalttäter davon abhalten, wirklich zuzuschlagen. Sie verdient eine Chance

Von Martin Mühlfenzl

Zur Aufgabe der Politik gehört es, Tabuthemen auf die Agenda zu setzen. Sie aus dem Verborgenen herauszuholen; das Schweigen, das sie oft begleitet, zu durchbrechen. Nur wer es wagt, das Unerhörte hörbar zu machen, kann auch dagegen angehen - und Menschen, die darunter leiden, schützen. Manchmal gar vor sich selbst.

Zu den unerhörten Missständen dieser Gesellschaft zählen insbesondere all jene Verfehlungen, die sich in den eigenen vier Wänden abspielen und unter dem Begriff häusliche Gewalt zusammengefasst werden. Gewalt in Beziehungen, in Familien, meist gegen Frauen gerichtet, oft auch gegen Kinder. Gewalt, die niemand sehen und niemand hören will. Umso erstaunlicher ist es, dass der Landkreis mit einer seltenen Initiative jenen eine Stimme und Hilfe geben will, die in Versuchung geraten, Gewalt gegenüber ihnen Nahestehenden anzuwenden. Die Kreispolitiker haben entschieden, eine Täterberatung einzurichten, die Menschen - ja, in den allermeisten Fällen Männer - konsultieren können; hier soll präventiv gehandelt werden, um Gewaltverbrechen zu verhindern. Allerdings hatten die Kreispolitiker noch vor wenigen Wochen um die Beratungsstelle gerungen; damals wurden Stimmen laut, eine solche könnte sich mit den Tätern gemein machen. Diese könnten hier nach einer Form der Absolution suchen. Außerdem würde die Stelle möglicherweise begangene Straftaten vertuschen - und stattdessen Gewaltverbrecher unterstützen.

All das ist grober Unfug. Vielmehr verdient die Initiative des Landkreises eine echte Chance. Mit ihr wird sich in manchen Fällen die Spirale der Gewalt durchbrechen lassen - eine detaillierte, persönliche Beratung kann als erster Baustein einer Interventionskette verhindern, dass diese Spirale in Gang gesetzt wird. Es ist ein mutiger Schritt, die Täterberatung auf die politische Agenda zu setzen; sie wird helfen, das Schweigen zu durchbrechen.

© SZ vom 29.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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