Kommentar:Das Recht auf Sonderrechte

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Feuerwehrmänner stehen im Einsatz oft mit einem Bein im Gefängnis. Dass sie neuerdings auch noch bei Übungen Gefahr laufen, gegen geltendes Recht zu verstoßen, ist einfach nur absurd

Von Michael Morosow

Von einem Feuerwehrangehörigen wird zu Recht erwartet, dass er binnen kürzester Zeit am Ort des Einsatzgeschehens eintrifft. Dazu hat ihm der Gesetzgeber sogenannte Sonderrechte eingeräumt, die ihm erlauben, die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zu ignorieren, wenn Gefahr im Verzug ist. Dazu hat die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland (AGBF) im Jahr 1998 auch Schutzziele definiert, die unter anderem vorsehen, dass die Feuerwehr innerhalb von acht Minuten nach Alarmierung mit zehn Einsatzkräften den Brandort erreichen soll. Soweit die Theorie.

In der Praxis steht der Ehrenamtliche bei jeder Ausrückfahrt mit einem Bein im Gefängnis. Fährt er unter Einhaltung aller geltenden Sorgfaltspflichten zum Brand- oder Unfallort, kommt er möglicherweise zu spät, um Menschenleben zu retten oder ein Feuer zu löschen. Fährt er bei Rot über die Kreuzung und verursacht einen Unfall, findet er sich womöglich auf der Anklagebank wieder. Die Feuerwehr im Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit - kein Titel, der dringend fehlenden Nachwuchs anlocken könnte. Doch nicht nur Einsatzfahrten sind für die zumeist ehrenamtlich tätigen Helfer mit persönlichem Risiko verbunden. So gut wie alle Feuerwehren im Lande haben seit 15 Jahren auch bei Übungen gegen geltende Vorschriften verstoßen. Bis 2001 hatte die Anordnung einer Übung durch den Kommandanten für eine Befreiung von den StVO-Vorschriften genügt. Aufgrund der neuen Regelung muss vor Feuerwehrübungen auf öffentlichen Straßen eine verkehrsrechtliche Anordnung beantragt werden, was einen immensen bürokratischen Aufwand bedeutet. Dass diese Regelung vorgeblich zur Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung beitragen soll, ist absurd genug.

Die Genehmigungsprozedur, die Verpflichtung gar, Umleitungspläne vorzulegen, die von oberer Stelle geprüft werden - man mag beim besten Willen keinen Sinn darin erkennen. Übungen auf öffentlichen Straßen sollen die Einsatzkräfte auf den Ernstfall vorbereiten, müssen also unter echten Einsatzbedingungen abgehalten werden. Pünktlichkeit zu fordern, aber notwendige Sonderrechte in Frage stellen, das beißt sich.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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