Kommentar:Besser spät als nie

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Die Aufarbeitung der NS-Zeit im Landkreis kommt gerade zur rechten Zeit. Denn die Geschichtsvergessenen werden immer lauter. Ihnen muss begegnet werden

Von Martin Mühlfenzl

Heimat hat nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Ausdehnung. Dieser sehr wahre Satz findet sich in der Chronik "Vielfalt im Landkreis München", die unter anderem der Historiker Hermann Rumschöttel verfasst hat. Was sich darin nicht wiederfindet, ist eine Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus im damaligen Bezirksamt München. Das ist kein Versäumnis der Autoren. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Jahre 1933 bis 1945 gibt es schlichtweg bis heute nicht. Umso wichtiger ist es, dass der Kreistag 73 Jahre nach Kriegsende endlich eine detaillierte Aufarbeitung der Geschichte des Landkreises in Auftrag gegeben hat.

Es gibt herausragende Beispiele der Konfrontation mit den Schrecken und Gewaltverbrechen im Landkreis München während der NS-Zeit. Die Facharbeit des Gymnasiasten Martin Wolf über die Geschichte der Außenstelle des Konzentrationslagers Dachau in Ottobrunn ist eines. In vielen Kommunen wird dafür gesorgt, dass die dunkelste Zeit des vergangenen Jahrhunderts nicht in Vergessenheit gerät und eine offene Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus stattfindet, so etwa in Pullach durch das Geschichtsforum. Auf Landkreisebene hat bisher der Wille gefehlt, sich den sozialen, politischen, juristischen und auch menschlichen Geschehnissen, Aspekten und Verwicklungen der NS-Zeit zu widmen, sie wissenschaftlich aufzuarbeiten, zu vermitteln und die Erinnerung daran zu bewahren. Der Entschluss der Kreisräte, dies nachzuholen, kommt spät - aber er kommt dennoch zur rechten Zeit.

Denn mit jedem Tag, an dem die Rechtspopulisten, Rechtsextremen und Geschichtsvergessenen in diesem Land lauter werden, erscheint es umso notwendiger, an die Umstände und Schrecken zu erinnern, die zur größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts geführt haben. Der Landkreis München kann mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte einen wichtigen Beitrag leisten, die richtige Konsequenz für die Zukunft zu ziehen. Und die kann nur lauten: Dieser düsterste aller Abschnitte der deutschen Geschichte darf sich nie wiederderholen.

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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