Kommentar:Befreiungsschlag mit Beigeschmack

Lesezeit: 1 min

Den Gocklwirt abzureißen, ist richtig. Besser wäre es allerdings gewesen, wenn die Unterföhringer Gemeinderäte vor der Entscheidung öffentlich diskutiert hätten

Von Sabine Wejsada

Das Schicksal des Gocklwirts in Unterföhring ist besiegelt. Nach mehr als sieben Jahren voller ermüdender Auseinandersetzungen über die Nutzung des 2011 von der Gemeinde gekauften Areals an exponierter Stelle steht fest, dass wohl schon im Frühjahr 2019 die Bagger anrücken werden, um das marode Gebäude dem Erdboden gleichzumachen. Wo heute noch ein großer Gockel in bunten Farben an der Fassade prangt, werden bald Blumen wachsen. Bis 2024 soll das Stückchen Grün erhalten bleiben, ehe darauf ein Landgasthof samt neuer Metzgerei errichtet wird.

So will es die Mehrheit im Gemeinderat. Diese Entscheidung setzt den längst überfälligen Schlusspunkt in einer wieder und wieder geführten Debatte ohne Ertrag. Kaum ein Projekt hat die Unterföhringer in der Vergangenheit mehr beschäftigt und entzweit als der Gockl. In den von zahlreichen Zuhörern verfolgten und stundenlang dauernden Sitzungen wurde seit 2011 um Ideen gerungen. Abriss oder Sanierung? Traditionsgaststätte oder Festsaal für Vereine und Bürger? Wohnungen für Erzieher oder eine Tagespflege sowie Senioren-WGs? Metzgerei stehen lassen oder nicht? Am Ende setzten sich die Befürworter eines Neubaus nach historischem Vorbild mit Gasthof und Wohnungen durch. Wobei man sich durchaus fragen kann, ob Unterföhring an dieser Stelle ein Wirtshaus braucht.

Das Zeitfenster von fünf Jahren für die Realisierung des Vorhabens verschafft nicht nur der Bauverwaltung im Rathaus etwas Luft, die wegen der langen Liste an Projekten ohnehin ächzt und stöhnt. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass die Blühwiese den kommunalen Etat nicht mit einem sechsstelligen Betrag per anno belasten wird wie das leer stehende Haus mitten im Ort. Dass der Gemeinderat diesen an sich sinnvollen Weg allerdings hinter verschlossenen Türen beraten und schlussendlich gewählt hat, mag im Hinblick auf die gebotene Geheimhaltung von Details aus dem Pachtvertrag mit dem Metzger schlüssig sein. Eine offen geführte letzte Debatte über das bevorstehende Ende des Gocklwirts hätte dem Gremium dennoch gut zu Gesicht gestanden.

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: