Klassik in Grünwald:Dramaturgin des eigenen Erlebens

(Foto: Angelika Bardehle)

Ein Reiz der Kammermusik liegt für viele Zuschauer darin, die wortlose und gleichsam perfekt wandernde Kommunikation zwischen den einzelnen Spielern zu beobachten. Die Pianistin Anna Vinnitskaya betritt die Bühne des August-Everding-Saals als Gast der Grünwalder Konzerte allein, und doch darf das Publikum einem leidenschaftlichen Dialog beiwohnen. Die 34-jährige Echo-Klassik-Gewinnerin, die im russischen Novorossijsk geboren ist, eröffnet eine Klangwelt, der sich kaum einer entziehen kann. Als Dramaturgin ihres eigenen Erlebens berauscht sie sich selbst an den Klängen, die sie aus dem Steinway perlen lässt, stürzt sich in Prokofjews Sonate Nr. 4 c-Moll in verzweifelte Trauer, entschwebt bei Debussy elfengleich. In der zweiten Hälfte zeigt Vinnitskaya noch einmal ihre immense Wandelbarkeit, warum sie zu den fantasievollsten und empfindsamsten Pianistinnen ihrer Generation zählt; sie spannt in den 24 Preludes von Frederic Chopin den Szenenbogen von bebender Erhabenheit bis zu frühlingshafter Heiterkeit, gleitet von leiser Melancholie bis hin in träumerische Schwärmereien. Das Publikum wird berauscht entlassen.

© SZ vom 22.09.2017 / gna - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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