Silva-Grundschule:Gelebte Inklusion

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Lehrerin Vera Burghard ist an der Silva-Grundschule in Kirchheim ein geschätzter Partner. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Rupert-Egenberger-Zentrum führt an der Silva-Grundschule in Kirchheim drei Förder- und Diagnoseklassen. Kinder mit Lernschwierigkeiten werden dort Tür an Tür mit anderen unterrichtet. Beide Seiten profitieren. 80 Prozent schaffen den Sprung an die Regelschule

Von Alexandra Vettori, Kirchheim

Spätestens bei der Einschreibung für die 1. Klasse Grundschule schlägt die Stunde der Wahrheit: Ist das Kind schulreif oder hinkt es den Altersgenossen hinterher? Eine verzögerte Entwicklung kann sich auf viele verschiedene Weisen zeigen: große Unsicherheit oder Ängste, sprachliche Defizite, Lernschwierigkeiten; in den Förder- und Diagnoseklassen an der Kirchheimer Silva-Grundschule geht man die Probleme gezielt an, in kleinen Klassen von maximal zwölf Kindern - und in aller Ruhe. Denn zwischen der ersten und zweiten Klasse kann bei Bedarf ein drittes Jahr eingeschoben werden, vor allem für das Lesen und Schreiben lernen bleibt so viel Zeit.

Die Rückführrate an die Regelschule ist hoch, bis zu 80 Prozent. Ganz nebenbei ist die Kooperation zwischen dem Unterschleißheimer Förderzentrum Rupert Egenberger, das die drei Klassen unterhält, und der Kirchheimer Grundschule, die sie beheimatet, auch ein Musterbeispiel für eine Inklusion, bei der allein das Kindswohl die Richtschnur ist.

Alle sagen "Du" zueinander, das fällt zuerst auf. Sie haben sich an einem der Schultische im Zimmer der Förderklassen versammelt, drei Grundschullehrerinnen, drei Sonderschullehrerinnen, die Leiterin des Unterschleißheimer Förderzentrums, Evi Birkhölzer-Schmidt, und die Schulsozialarbeiterin der Förderklassen. Als vor drei Jahren klar war, dass in der Aschheimer Grundschule kein Platz mehr für die Förderklassen war, zog man an die Kirchheimer Silva Grundschule um. Dort nahm sie Schulleiterin Angela Hilger mit offenen Armen auf, machte Zimmer frei und legt bis heute großen Wert auf die Zusammenarbeit. Denn die ist kommt allen zugute.

"Für uns sind die Förderschullehrerinnen eine Riesenhilfe", sagt Edda Zollner, Lehrerin und stellvertretende Leiterin der Silva Grundschule, "wir können uns da jederzeit Rat und Hilfe holen." Die zusätzliche Ausbildung des Förderschulpersonals in den Schwerpunkten Sprache, Lernen und Verhalten macht es auch bei Problemen mit Regelschülern zum kompetenten Ansprechpartner für die anderen Lehrer. In Fächern wie Musik oder Heimat- und Sachkunde lernen Grundschul- und Förderschulkinder gemeinsam. Auch Projekte oder Exkursionen begeht man zusammen, längst haben sich die Kinder aneinander gewöhnt. Anfangs habe es vereinzelt bei Eltern durchaus Ängste gegeben, erzählt Simone Lipinski, Lehrerin der ersten Förderschulklasse. Das sei mittlerweile vorbei. "Alle haben gesehen, das sind auch nur Kinder, die hier lernen. Und wenn wir alle zusammen im Werkraum sind, schaut keiner mehr, welche Klasse oder welche Lehrkraft ist das." Umgekehrt macht es die räumliche Nähe auch den Eltern von Grundschülern bei Schwierigkeiten leichter, das Angebot der Förderklassen zu nutzen. Bei den Infoabenden beobachtet die Konrektorin der Silva Grundschule, Edda Zollner, dass die Eltern zugänglicher sind, seit die Klassen im Haus sind: "Da gibt es keine Hemmschwelle mehr, weil die Frau Burkhard eh schon da ist."

Dennoch bleibt das Ziel die Regelschule. Wer Chancen hat, es zu packen, darf zum Halbjahr drei Wochen schnuppern; es ist ja nur einige Zimmer weiter. Und auch sonst, betont Lipinksi, tauscht man sich ständig aus, "da schreiben wir in der Förderklasse zum Beispiel mal die gleiche Probe wie die Grundschule, um zu schauen, wo wir stehen". Die Förderklassen in der Regelschule seien gelebte Inklusion, loben alle.

Ganz im Gegenteil zu dem, was sich an den meisten bayerischen Grundschulen abspielt. "Es gibt einzelne Projekte, die sind super ausgestattet. Aber an den meisten Grundschulen steht eine Lehrkraft alleine in der Klasse und muss sich zusätzlich um ein Kind mit Behinderung kümmern, ohne entsprechende Ausbildung", kritisiert Lipinski. Das reicht bis zur Hilfe beim Toilettengang, währenddessen der Rest der Klasse einem zur Hilfe gerufenen Kollegen oder eben sich selbst überlassen bleibt.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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