Kabarettist Hans Klaffl über Abi-Streiche:"Die Schüler dürfen da schon hinlangen"

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Als Lehrer am Ernst-Mach-Gymnasium war Hans Klaffl jahrzehntelang in viele Abitur-Streiche eingeweiht. Er verschaffte den Schülern Zugang zur Schule, warnte aber schon mal Kollegen. Ein Gespräch über Humor und seine Grenzen

Interview von Konstantin Kaip, Haar

Der Kabarettist Hans Klaffl war bis zum vergangenen Jahr Musiklehrer am Haarer Gymnasium und hat dort mehr als 30 Abi-Streiche erlebt. Im Interview erzählt er, was einen guten Streich ausmacht, worauf man verzichten kann und warum er zu seiner eigenen Abiturfeier im Pyjama kam.

SZ: Können Sie sich noch an Ihren eigenen Abi-Streich erinnern?

Hans Klaffl: Wir haben eigentlich keinen echten Abiturstreich gemacht damals. Wir waren ja Achtundsechziger und sind zur Abiturfeier im Schlafanzug gekommen, um dem System unsere Verachtung zu zeigen. Und das System hat dann uns seine Verachtung gezeigt. Indem wir unsere Abiturzeugnisse beim Hausmeister abholen mussten.

Man hätte ja auch mit einem Streich gegen das System protestieren können.

Das kam damals für uns nicht in Frage. Abi-Streiche waren damals auch noch gar nicht üblich.

Wie haben Sie denn Ihren ersten Abi-Streich als Lehrer erlebt?

Die ersten Sachen waren eigentlich sehr, sehr schön. Einmal haben die Schüler das ganze Lehrerzimmer mit Luftballons gefüllt. Die haben die ganze Nacht da gearbeitet, mit Kompressoren, und 10 000 Luftballons aufgefüllt. Ich war eingeweiht und hab' den Schülern aufgesperrt. Wir haben das ganze Lehrerzimmer ungefähr 2,50 Meter hoch mit Luftballons aufgefüllt. Das war eine Mordsgaudi.

Der Sekt für die Abiturfeiern ist schon kaltgestellt. (Foto: Robert Haas)

Dass Sie als Lehrer dabei waren, ist aber ungewöhnlich. Waren Sie so beliebt?

Einerseits ja. Ich war bei den Schülern halt eine Vertrauensperson, die sie nicht verpetzt. Und sie mussten ja auch irgendwie ins Schulhaus reinkommen. Auf der anderen Seite war der Schulleiter auch durchaus davon angetan, dass ich dabei war, damit nichts passiert. Ich bin vorher ins Lehrerzimmer gegangen und hab alles weggeräumt, was die Schüler nichts angeht.

Eigentlich will man beim Abi-Scherz doch auch die Lehrer ein bisschen ärgern.

Schon, ja. Aber das sollte man auf humorvolle Art tun, was in dem Fall, glaub' ich, recht schön war. Es waren natürlich auch Lehrer dabei, die nicht lachen konnten. Die haben gesagt: Ich hab' heut Schulaufgabe und jetzt komm ich nicht an den Kopierer ran. Aber auf eine freundliche und nette Art die Lehrer auf die Schippe zu nehmen, das war meistens der Hintergedanke. Dass es so richtig gegen die Lehrer ging, hab' ich nie erlebt. Einmal vielleicht. Da haben sie mit Torten nach den Lehrern geworfen. Das war halt ein bisschen eine Sauerei.

Kabarettist Hans Klaffl schöpft noch immer viel aus seinem Leben als Lehrer. (Foto: Robert Haas)

Haben Sie selbst auch eine Torte abgekriegt?

Nein, ich hab mich in Sicherheit gebracht. Sie haben mich nicht getroffen.

Sie haben ja nach 38 Jahren als Lehrer eine reiche Erfahrung. Was macht einen guten Abi-Scherz aus in Ihren Augen?

Dass er witzig ist, vor allem originell. Es sollte eine gute Idee dahinter stecken. Dass also nicht bloß die Lehrer mit Wasserpistolen nass gemacht werden, und das war's dann. Es sollte schon ein bisschen Kommunikation entstehen zwischen Lehrern und Schülern. Einmal haben die Schüler ein Dschungelcamp organisiert im Lehrerzimmer. Da durfte nur raus, wer bestimmte Aufgaben erfüllt hat. Die waren aber nicht so unappetitlich wie im Fernsehen. Wir mussten uns zum Beispiel gegenseitig nachahmen, bis die Schüler erkannt haben, wen wir darstellen. Einmal gab es ein Wettrennen auf Ski, das waren lange Bretter mit Schnallen, auf denen zehn Lehrer gegen zehn Schüler angetreten sind. Die Schüler hatten das natürlich geübt. Aber witzigerweise haben doch wir Lehrer gewonnen. Weil vorne der Chef war. Der hat immer geschrien: eins, zwei! und lauthals den Rhythmus vorgegeben.

Haben sich denn die Abi-Scherze im Lauf der Zeit verändert?

Prinzipiell kann ich das eigentlich nicht sagen. Es waren immer mal wieder welche dabei, die daneben gegangen sind. Wo die Lehrer einfach nur durch den Kakao gezogen wurden, was dann übrigens auch die anderen Schüler gar nicht so lustig fanden.

Trotzdem hat man das Gefühl, dass die Abi-Streiche immer harmloser werden.

Die letzten, die ich erlebt habe, waren schon harmlos, ja. Aber von einer Tendenz würde ich da nicht sprechen. Ist ja nicht immer einfach, eine originelle Idee zu haben.

Es soll Schulen geben, wo man den Abi-Scherz beim Direktorat anmelden muss. Konterkariert das nicht das Ganze?

Das schon. Wenn man ihn anmelden muss, ist der Abi-Streich nicht mehr witzig. Dass ein, zwei vertrauenswürdige Lehrer eingeweiht werden, ist aber schon sinnvoll. Denn gerade gegen Ende des Schuljahres haben wir ja ziemlichen Notenstress, da muss noch jeder eine Schulaufgabe unterbringen und so. Wenn dann der ganze Schulbetrieb lahm gelegt wird, kann das zu größeren Problemen führen. Daher war ich jahrelang eingeweiht und habe zu den betroffenen Kollegen gesagt: Du müsstest mit deiner Klasse rechtzeitig da und da hingehen.

Gab es denn auch Lehrer, die richtig Angst hatten vor dem Tag des Abi-Streichs?

Das hängt vom Lehrertyp ab. Angst hatte aber niemand. Manche haben eben gesagt: So ein Schmarrn, da mach ich nicht mit und geh rechtzeitig. Die gibt's. Das sind dann aber in meinen Augen nicht die besten Lehrer. Denn wenn sich ein Schüler acht, neun Jahre mit den Lehrern rumgequält hat, hat er schon ein bisschen das Recht, zum Abschied seinen Spaß zu haben.

Den Abiturienten die nötige Portion Anarchie zugestehen: Ist das auch eine Gratwanderung?

Auf jeden Fall ist das eine Gratwanderung. Es sollte halt immer in einem Rahmen bleiben, wo niemand vorgeführt oder verletzt wird. Oder man sich über irgendwelche Gebrechen lustig macht. Über die Macken von Lehrern, ja. Selbstverständlich. Wir haben unsere Macken, und warum sollten sich die Schüler darüber nicht lustig machen. Das ist manchmal sogar ganz informativ. Man merkt: Aha, so kommt das bei denen an. Die Schüler dürfen da schon hinlangen. Aber es gibt eben eine Grenze. Ich kenne das vom Kabarett. Es gibt Dinge, über die macht man halt keine Witze.

Was raten Sie denn den Lehrern an so einem Tag?

Sie sollten auf jeden Fall gute Nerven haben. Und die Souveränität, dass man da auch mal über was hinwegsieht, was einem nicht so lustig vorkommt und vielleicht auch wirklich nicht lustig ist. Wir Lehrer brauchen unsere Autorität für so vieles und so oft. Man sollte sie nicht mit so etwas strapazieren.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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