Investitionen:Gelbes Glück

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Phicomm wird in Unterhaching mit offenen Armen empfangen. Weil das chinesische Kommunikationsunternehmen 1200 Arbeitsplätze und eine Investition von 85 Millionen Euro verspricht, kommt ihm der Gemeinderat beim Bau der Europazentrale in vielen Punkten entgegen

Von Michael Morosow, Unterhaching

Das letzte Wort vor der Abstimmung hat Jie Lin. Der Geschäftsführer des chinesischen Kommunikationsunternehmens Phicomm wirkt entspannt, als er zum Mikrofon greift. Kann er auch, denn auf seine Rede wird es nicht mehr ankommen. Wohl jedem im großen Sitzungssaal des Unterhachinger Rathauses, auch ihm, ist zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass Phicomm den Gemeinderat überzeugt hat und seine Europazentrale mit angeschlossenem Rechenzentrum wird bauen dürfen.

So kann Jie Lin in lockerer Art auch den letzten Zweiflern die Angst nehmen vor den Plänen für ein 200 Meter langes Gebäude an der Gauss-Allee nahe der Bibergerstraße, in dem bis zu 1200 Mitarbeiter des chinesischen Unternehmens ihren Arbeitsplatz haben werden. Er habe gelesen, dass 800 Chinesen aus Shanghai nach Unterhaching kommen werden, sagt Lin. Das sei falsch. In erster Linie kämen die Mitarbeiter aus dem Großraum München, und darunter seien viele, die zu Hause arbeiteten. Und sie kämen nicht an einem Tag, sondern sukzessive. Noch ein paar Nettigkeiten, dann kehrt Lin unter dem Beifall der Gemeinderatsmitglieder auf seinen Besucherstuhl zurück. Kurz darauf ist das Phicomm European Center mit Standort Unterhaching einstimmig beschlossene Sache und hat der Gemeinderat dem Unternehmen insgesamt elf Abweichungen vom Bebauungsplan gestattet.

Keine gelbe Gefahr, eher rosige Aussichten für den Standort Unterhaching - das ist die Quintessenz der Wortbeiträge in der Diskussionsrunde. Abgesehen von wenigen kritischen Fragen aus dem Gremium mutete die Szenerie im großen Sitzungssaal wie ein deutsch-chinesisches Freundschaftsfest an. Wirtschaftsreferent Simon Hötzl sprach von "einer der bedeutendsten Technologie-Ansiedlungen im Großraum München" und davon, dass die Gemeinde von der Landeshauptstadt darum beneidet werde, ehe er das Gremium bat, den Befreiungsanträgen zuzustimmen. Bauamtsleiter Stefan Lauszat sprach ein Lob für die Architekten aus, was bisher allenfalls in nicht öffentlichen Sitzungen der Fall gewesen sein kann. Er sei bei der Entstehung "live und in Farbe" dabei gewesen. "Was wir planerisch wollten, haben sie erfüllt", so etwas habe er selten erlebt, sagte Lauszat. Schließlich holte noch CSU-Fraktionsführer Richard Raiser zu einer Lobeshymne aus, sprach von einem sehr angemessenen, ausgewogenen und futuristischen Bauvorhaben, von einem Attraktivitätsgewinn für die Gemeinde, bedankte sich bei Phicomm für die Standortwahl und endete mit den Worten: "Das ist ein schöner Tag für Unterhaching."

Warum sich sein Unternehmen in der Südgemeinde ansiedeln wird, hatte Jie Lin bereits vor der Sitzung in einer kleinen Pressekonferenz erläutert: "Schuld ist Herr Hötzl." Ein erstes Anbahnungsgespräch mit dem Wirtschaftsreferenten habe ihn sehr beeindruckt. Dieser habe sich von Anfang an intensiv um Phicomm bemüht. Außerdem verfüge die Gemeinde über eine günstige Verkehrsanbindung und biete ein optimales Umfeld mit dem Infineon-Campus und Intel Mobile Communications in unmittelbarer Nachbarschaft. Eine Rolle habe auch der relativ niedrige Gewerbesteuersatz gespielt, der mit 295 Punkten deutlich unter Münchner Niveau (490) liegt. Und dann wäre noch die "wunderbare Forschungslandschaft" in München und dem Umland mit den Elite-Universitäten LMU und TU, dem Max-Planck-Institut, der Fraunhofer Gesellschaft und dem europäischen Patentamt.

Wird bald neben dem Einkommenssteueranteil auch Gewerbesteuer in das Gemeindesäckel fließen? "Ja, natürlich", sagt Lin, will aber keine Vorhersagen über die Höhe wagen. 85 Millionen Euro lässt sich Phicomm seine Europazentrale mit Rechenzentrum kosten, die Projektdirektor Jens Haake vom Dortmunder Architektenbüro Gerber vorstellte: einen 200 Meter langen Riegel mit 34 000 Quadratmetern Geschossfläche und fünf fingerartigen Ausläufern. Genügend Raum nicht nur für Phicomm, sondern auch für andere Unternehmen aus der IT-Branche, die hier als Untermieter Platz finden können.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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