Klinik-Skandal in München:"Der Schaden ist gigantisch"

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Bürgermeister Hep Monatzeder über weitere Konsequenzen, die Rolle der CSU - und ob es ein Fehler war, die Klinikleitung nach politischem Proporz zu besetzen.

D. Hutter und S. Lode

Im Hygiene-Skandal an den städtischen Münchner Kliniken will der Aufsichtsrat heute weitere personelle Konsequenzen ziehen. Dominik Hutter und Silke Lode haben mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Münchens Drittem Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne), über die Hintergründe gesprochen.

Der Aufsichtsratschef und der Klinik-Skandal: Hep Monatzeder, Dritter Bürgermeister, kündigt im Interview an, dass weitere Verantwortliche in den städtischen Kliniken gehen müssen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

SZ: Das Gutachten, das den Klinik-Skandal belegt, ist ja eher zufällig an die Öffentlichkeit geraten. Was wäre denn passiert, hätte sich nicht ein Betriebsrat ein Herz genommen und den Aufsichtsrat informiert?

Hep Monatzeder: Dann würden wir es heute noch nicht wissen.

SZ: Die Kliniken hätten einfach weitergewurstelt?

Monatzeder: Zumindest zeigen die bisherigen Untersuchungsergebnisse, dass nur aufgrund dieser Nachfrage die Klinikleitung dieses Gutachten im Aufsichtsrat zur Sprache gebracht hat.

SZ: In diesem Gutachten müssen ja haarsträubende Dinge stehen.

Monatzeder: Das ist in der Tat richtig. Ich kann dazu aber noch nicht umfassend Auskunft geben. Meine Anwälte prüfen anhand von Akten oder Dienstplänen, ob die geschilderten Zustände zutreffen und wer dafür verantwortlich ist. Auf der anderen Seite prüft die Staatsanwaltschaft auf strafrechtliche Belange.

SZ: Hätte der Aufsichtsrat das Problem nicht früher mitbekommen müssen?

Monatzeder: Wie denn? Es gibt diverse Runden, in denen dem Aufsichtsrat, dem Gesundheitsreferenten und dem Oberbürgermeister in regelmäßigen Abständen berichtet wird, wie es im Krankenhaus aussieht. Darin ist dieses Thema nie zur Sprache gekommen.

SZ: Man darf wohl unterstellen, dass die Hygienemängel bedeutsam genug gewesen wären, um in einer dieser Runden angesprochen zu werden.

Monatzeder: Das dürfen Sie in der Tat unterstellen. Dieses Ereignis hätte man definitiv ansprechen müssen.

SZ: Vielleicht auch schon im Sommer 2009? Damals gab es ja offenbar schon Beschwerden der Ärzte?

Monatzeder: Ich bin der Meinung: Ja.

SZ: Was ist denn in den folgenden Monaten mit diesen Beschwerden geschehen? Wurden sie einfach ignoriert?

Monatzeder: Das untersuchen wir im Moment. Ich kann derzeit keine Mutmaßungen kundtun, weil wir Beweise brauchen und weil ja die Staatsanwaltschaft eingeschaltet ist. Ich kann nur sagen: Wir haben schon einiges auf dem Tisch, und es wird in der nächsten Zeit auch noch mehr passieren.

SZ: Durften denn die Ärzte, obwohl sie selbst dreckiges OP-Besteck gesehen haben, einfach weiter operieren?

Monatzeder: Ich denke, jeder Arzt war so verantwortungsbewusst, nur mit Instrumenten zu operieren, von deren absoluter Sterilität er ausgehen konnte. Es wurde ja jede Menge an Operationsbesteck abgelehnt und zurückgeschickt.

SZ: Die Opposition im Rathaus hat personelle Konsequenzen in der Politik gefordert. Haben Sie schon über Ihre Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender nachgedacht?

Monatzeder: Wenn die CSU das, was sie fordert, konsequent anwenden würde, müsste sie eine ganze Reihe eigener Parteifreunde in die Wüste schicken. Denn im Gegensatz zu mir, der ja als Aufsichtsratsvorsitzender sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe gehandelt hat, haben Aufsichtsratsmitglieder der CSU bei der Bayerischen Landesbank jahrelang zugeschaut. Gesundheitsreferent Joachim Lorenz und ich haben im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung die Aufsichtsbehörde eingeschaltet. Von daher finde ich es etwas konstruiert, was die CSU da macht. Das sind politische Spiele. Ich kann reinen Gewissens sagen, dass ich erst bei jener Aufsichtsratssitzung am 2.Juli von den Vorwürfen erfahren habe.

SZ: Welche Rolle hätte denn die CSU bei der Aufklärung spielen können?

Monatzeder: Das ist für mich am allerspannendsten. CSU-Stadtrat Robert Brannekämper behauptet ja, er hätte eine Reihe von E-Mails bekommen. Das heißt, er wusste es, aber er hat es weder an mich herangetragen noch an seine zuständige Kollegin im Aufsichtsrat. Somit muss sich ja Herr Brannekämper selbst den Vorwurf der Nichtinformation gefallen lassen.

SZ: Schildern Sie doch bitte einmal den Ablauf der Aufsichtsratssitzung am 2. Juli.

Monatzeder: Zunächst kam von einem Aufsichtsratskollegen die Bitte, das Thema Sterilgutaufbereitung auf die Tagesordnung zu setzen. Die Dramatik war noch nicht zu erkennen, das Thema war einer der letzten Punkte. Der zuständige Klinik-Geschäftsführer Reinhard Fuß hat daraufhin einen Bericht erstattet, der tatsächlich nicht sehr dramatisch klang. Das Ausmaß der Vorwürfe wurde erst deutlich, als die insistierenden Fragen kamen und als wir bemerkten, dass einer der Aufsichtsräte das Gutachten vor sich liegen hatte. Der hat es dann Kämmerer Ernst Wolowicz herübergereicht, und der hat gesagt: Da steht ja drin, das alles könnte strafrechtliche Relevanz haben. Ich habe daraufhin sofort veranlasst, dass das Gutachten unverzüglich allen Aufsichtsräten zur Verfügung gestellt wird. Die Folge war dann die Einschaltung des Gesundheitsamts und die Sondersitzung des Aufsichtsrats am 8.Juli, bei der Herr Fuß suspendiert wurde.

SZ: Wann haben die anderen Geschäftsführer von dem Gutachten erfahren?

Monatzeder: Das untersuchen wir derzeit. Wir werden heute ein Ergebnis bekommen und auch die entsprechenden personellen Konsequenzen daraus ziehen.

SZ: War es ein Fehler, die Klinikleitung nach politischem Proporz zu besetzen?

Monatzeder: Gemach. Es gab eine Ausschreibung, und darauf haben sich Menschen beworben, die entsprechend kompetent waren, sonst hätten sie sich gar nicht bewerben dürfen. Und der Stadtrat hat entschieden, diese Geschäftsführer einzustellen.

SZ: Trotzdem: Ist es nicht ein Fehler, dass weder einer der Geschäftsführer noch die Klinik-Direktoren Mediziner sind?

Monatzeder: Das Problem war, dass sich auf die Ausschreibung für die Geschäftsführer kein Mediziner beworben hat. Mediziner haben andere Gehaltsvorstellungen als das, was die Geschäftsführer des Klinikums bekommen.

SZ: Nach unseren Informationen hat sich aber sehr wohl ein Mediziner beworben - der wurde aber abgewimmelt.

Monatzeder: Das ist mir nicht bekannt, ich habe nur die Auskunft, kein Mediziner habe sich beworben.

SZ: Ist an der falschen Stelle gespart worden, als man die Sterilisationsabteilung in Neuperlach abgeschafft hat?

Monatzeder: Das ist ja die Frage, die wir klären wollen: Inwieweit wurden Organisationsfehler gemacht und Organisationsmaßnahmen falsch entschieden?

SZ: Sollte man sich also auch Gedanken machen über Umstrukturierungen?

Monatzeder: Man soll nicht, man muss! Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass es organisatorische Mängel und Fehler gibt, dann muss man die beheben.

SZ: Wie geht es jetzt weiter, welche Fragen beschäftigen den Aufsichtsrat des Klinikums heute?

Monatzeder: Es wird eine detaillierte Bestandsaufnahme geben, vorgetragen von der Überwachungsbehörde. Da wird schon deutlich, dass es eine ganze Reihe von Regelverstößen gibt. Und meine Rechtsanwälte berichten über ihre Untersuchungen in den Kliniken. Ich kann zu beidem nur sagen, dass das zu weiteren personellen Konsequenzen führen wird.

SZ: Können Sie abschätzen, wie groß der Schaden für die Kliniken ist?

Monatzeder: Er ist gigantisch. Schon jetzt ist finanzieller Schaden entstanden, weil nicht mehr operiert werden durfte. Und der Imageschaden wird sich natürlich auch finanziell auswirken.

© SZ vom 14.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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