SZ-Serie: "Meisterhaft", Folge 12:Der Scharfmacher

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Für Köche und Metzger ist Alexander Trapp unverzichtbar: Denn der Sendlinger Messerschleifer trimmt und pflegt das komplette Küchenprogramm, von der Schere bis zum Fleischwolf. Das Handwerk übt er bereits in dritter Generation aus

Von Birgit Lotze

Früher waren an der Zenettistraße 13 die Amtstierärzte für den Schlachthof untergebracht. Jetzt sitzt hier Alexander Trapp und findet es angenehm, dass die Räume bis unters Dach weiß gefliest sind. Das mache sein Handwerk zumindest pflegeleichter, sagt er. Zwar spritzt hier kein Blut, auch wenn Trapp die Messer wetzt. Aber dafür Schleifschlamm, mit Wasser gebundener Staub, gemischt mit Schleifpaste zum Polieren. Der Schlamm legt sich überall hin: auf die Schleifmaschinen, die Werkzeuge, auf den Boden; eine hochfeine Schicht klebt an den Wänden.

Trapp ist Messerschleifer in dritter Generation, die Maschinen sind teils noch von seinem Großvater. Alles steht voll, Maschine an Maschine. Will jemand in den Raum hinein, muss er sich durch schmalen Gassen schlängeln. Trapp hat auch viele Apparaturen von Kollegen gekauft, die niemanden gefunden haben, der ihren Betrieb übernimmt. Viele seiner Art gibt es nicht mehr in München.

Seit 15 Jahren ist er im Viehhof, direkt hinter dem Wirtshaus am Schlachthof. Laufkundschaft kommt hier nicht vorbei. Doch sämtliche Metzger rings um den Schlachthof kennen Trapp natürlich, viele Köche in München, darunter so einige Spitzenköche, dazu viele Privatleute. Trapp kümmert sich um das komplette Küchenprogramm: von Messern über die Scheren bis hin zu den "Wolfteilen" des Fleischwolfs, Aufschnittmaschinen und die riesigen Kuttermaschinen mit rotierenden Messern, die das Brät herausschneiden.

Die Messer sind ihm am liebsten, vor allem die japanischen. Manchmal werden sie nur poliert, mit einer 8000er-Körnung, erklärt Trapp. Die Schneide gleitet dann über den Stein wie über Marmor. Nach so einem Feinabzug hat das Messer die exakte Schärfe zum Zerteilen eines Fisches. Man ziehe komplett durch, ohne Kraftaufwand, beschreibt er die Wirkung eines perfekten Schliffs. Alexander Trapp gehört zu den Menschen, die ihr Handwerk nicht nur gelernt haben, sondern lieben, was sie tun. Wenn er schleift, sieht er den Menschen vor sich, der das Messer benutzt, sieht, wie er es benutzt. "Dann weiß ich genau, wie ich das Messer schleifen muss."

Für ein Messer braucht er vier, fünf, manchmal auch mehr Arbeitsgänge bis zum Polieren. In der kleinen Halle ist es laut, da mehrere Maschinen gleichzeitig laufen. Trapp und sein Auszubildender tragen Ohrenschützer. Er arbeitet sich von Maschine zu Maschine durch, von Schleifstein zu Schleifstein, wechselt auf immer feinere Bänder. Zum Schluss geht es an die Polierscheiben. Der achte Arbeitsgang: Rillen auf der Klinge und Gebrauchsspuren werden noch entfernt. Den Messergriff hat Trapp fest in der einen Hand, die andere liegt an der Klinge und führt die Schneide - zieht erst die eine Seite, dann die andere durch, ohne abzusetzen. "Man braucht ziemlich viel Zeit, um das zu lernen. Man muss ein Händchen dafür haben", sagt er über die Voraussetzungen für sein Handwerk. Und man solle weder Links- noch Rechtshänder sein. Dann könne man das Messer gleichmäßig auf dem Stein führen.

Die Aufträge sind in einzelnen Kästen abgelegt und werden nacheinander abgearbeitet. Kleinere Kästen, mal gefüllt mit drei Messern aus einem Essbesteck, andere mit den wuchtigen Messern industrieller Küchenmaschinen. Die Hackfleischscheiben müssen so geschliffen sein, dass sie das Fleisch nicht zerpressen und so das Eiweiß zerquetschen, sagt Trapp. Sonst werde das Fleisch nach zwei Stunden grau. Meist sieht er sofort, was mit einem Messer gemacht wurde. "Damit ist wohl ein Knochen geschnitten worden", sagt er und zeigt auf einen Zacken.

Manche Hobbyköche versuchten auch, auf Knochen zu schlagen. Dann bricht die Schneide aus, kann sogar brechen. Dabei geht es offenbar so einfach, Trapp zeigt auf sein gerade geschliffenes Messer: "Damit kann man jetzt ohne weiteres ein Hendl durchdrücken", erklärt er. Das Santuko-Messer ist für Gemüse gedacht, das mit der langen, schmalen Klinge für Lachs und Schinken.

Alexander Trapp redet gerne mit seinen Kunden, egal ob sie Fragen zur Pflege oder zum Umgang mit einem Messer haben, oder, ob sie zum Schleifen oder für einen Messerkauf kommen. "Jeder hat andere Bedürfnisse. Je nachdem, wie er die Klinge ansetzt, was er schneidet, wie groß er ist und welchen Druck er ausübt", sagt Trapp. Jeder Kunde, so versichert er, könne alles fragen, was er wissen will. Aber er solle nicht davon ausgehen, er könne das Messer, das er zum Schleifen mitbringe, gleich wieder mitnehmen. "Jedes Messer ist anders. Bei Handarbeit drückt man nicht auf den Knopf."

Alexander Trapp kocht selbst gerne, wie auch schon sein Vater und inzwischen auch seine drei Kinder. Er geht auch oft in die Küchen der Köche, deren Messer er betreut. Dort holt er sich Tipps zum Kochen und sieht auch, wie die Messer eingesetzt werden. Wie muss ein sauberer Schnitt denn nun aussehen? Die Schneide müsse standhaft sein, der Schliff müsse im exakten Winkel durchgezogen werden. Das Messer gleite dann durch Fleisch, Gemüse oder Fisch - ohne Kraftaufwand. Man arbeite schneller, ohne Schmerz und Anstrengung. Und vor allem sei die Qualität des Produktes besser. Jeder Metzger versuche, über den Schliff das Beste aus seiner Ware herauszuholen, sagt Trapp. Je schärfer das Messer, desto flaumiger das Brät und desto besser schmecke die Weißwurst. Schneide man Petersilie und das Schneidebrett färbe sich grün, dann sei klar, dass man die Kräuter gequetscht habe, statt geschnitten, verdeutlicht Trapp den Unterschied. Am Mittwoch, 20. Januar, kann man ihn bei seinem Handwerk auch im Fernsehen zuschauen: in der Sendung "Wir in Bayern" im Bayerischen Fernsehen um 15.30 Uhr.

Lesen Sie am Montag: das Handwerk des Ofenbauermeisters Helmut Leitl aus Haag.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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