Platt wie eine Flunder liegt die Scheibe aus Holz und Leder da. Wie durch Magie faltet sich daraus ein dreidimensionales Objekt - ein Schaukelhocker. Ganz in Ikea-Manier, nur ohne Werkzeug. Damit das minimalistische Schaukelpferd nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, hält es Lederriemen auf der Unterseite zusammen: "Das wird ähnlich wie beim Schnürsenkel tick-tack hin- und hergefädelt", erzählt die Designerin des Schaukelhockers, Maria van Vügt. Die Unterseite ist abgespannt wie bei einer Brücke. Für die ausgeklügelte Konstruktion hat die Unterschleißheimerin den Bayerischen Staatspreis, der mit 5000 Euro dotiert ist, auf der Internationalen Handwerksmesse (IHM) erhalten.
"Ich wollte die Leichtigkeit von Origami beibehalten, aber in eine stabile Konstruktion bringen", erzählt van Vügt. Dafür nutzt sie Birkenholz, das nur drei bis vier Millimeter dünn ist: Leicht, biegsam und stabil ist es, früher wurden daraus Flugzeuge gebaut. Europaweit stellt nur noch eine einzige Firma dieses Sperrholz in Finnland her. "Das besondere ist, dass der Stuhl trotzdem sehr flexibel bleibt, aber durch die Biegung bekommt er eine Oberflächenspannung", sagt die Designerin.
Monatelange Arbeit steckte sie in ihre Abschlussarbeit an der Akademie für Gestaltung in München. Bauingenieure und Architekten haben ihre Konstruktion begleitet: "Die fanden das alle sehr spannend und komplex. Weil es so einfach aussieht, aber doch so stabil sein muss."
Aus dem Landkreis München haben noch zwei weitere Unternehmer Preise erhalten: Für hervorragende innovatorische Leistungen im Handwerk wurde Benedikt Daschner mit dem Bundespreis ausgezeichnet, der auch mit 5000 Euro dotiert ist. Der Ismaninger Konditormeister druckt mit 3-D-Drucker Schokolade in allen erdenklichen Formen. Für einen Zentimeter Schokolade braucht er 20 Minuten. "Ich war in meiner Ausbildung schon ein technisch interessierter Konditor und dachte mir: Das kriege ich doch auch mit einem 3-D-Drucker hin", erzählt Daschner. Aus dieser Idee entstand sein Start-up "Chocolate hoch drei".
Stefan Oetzel aus Unterföhring erhielt den Bayerischen Staatspreis für eine Systemspülanlage. "Das ist schon wie ein kleiner Ritterschlag", sagt er. In mehr als fünf Jahren entwickelte er die Anlage, um auch Rohre bis zu einem Kilometer Länge reinigen zu können. Die Anlage reißt abwechselnd mit Luftstößen und Wasser den Biofilm auf und desinfiziert die Rohre gleichzeitig, besonders für Krankenhäuser ist das wichtig. Dass auch er wie die Designerin van Vügt im Bereich Technik ausgezeichnet wurde, zeigt, wie unterschiedlich Handwerk sein kann.
Auf den Origami-Geschmack gebracht hat die Designerin van Vügt eine Dozentin an der Akademie: "Mich haben die gebogenen Falten fasziniert, das sieht man so gut wie nie - und auf welche Materialien man das noch übertragen kann", erzählt sie. Als gelernte Polsterin hatte sie bisher nur Stühle repariert, jetzt wollte sie selber einen außergewöhnlichen bauen. Mit Formmodellen aus Papier startete sie, ganz in der Tradition des Origami, einige Monate später ging es dann schon an den Lasercutter. Millimetergenaues Arbeiten zähle hier, das Holz müsse exakt gebogen sein, damit die Konstruktion am Ende auch stabil sei. Die Sitzfläche ist aus Leder, das van Vügt mit dem Holz vernäht: "Hier muss jeder Stich sitzen, denn das Material verzeiht keinen Fehler", erklärt sie. "Vollholz könnte ich niemals vernähen, aber Sperrholz hat eine andere Dichte. Das klappt, wenn man sich auskennt". 140 Kilo hält der Hocker locker aus. Ein Klappstuhl, den man nach Belieben in Windeseile auf- und zuklappen kann, sei ihr Stuhl aber nicht: Für das Einfädeln der Riemen brauche es schon ein bis zwei Minuten. Bisher gibt es ihr minimalistisches Schaukelpferd nur in Kleinserie, mit dem Preisgeld will sie es in die Serienproduktion schaffen.
Einmal aufgebaut, belohnt der Hocker für die Mühen: "Schaukeln ist ein Naturinstinkt des Menschen, das empfinden wir als sehr angenehm. Und dynamisches Sitzen wird eh immer mehr zum Thema", erzählt van Vügt. Dass die klassischen Schaukelpferde immer mehr aus Kinderzimmern verschwinden, bedauert sie: "Holz braucht eben einen gewissen Platz, deswegen war es mir ein Anliegen, das faltbar und flexibel zu machen". Zieht man am Lederriemen, faltet sich der Schaukelhocker wieder zusammen, nur eine kreisrunde Scheibe bleibt übrig.