SZ-Serie: "Meisterhaft", Folge 13:Ein Stück Lebensqualität

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Helmut Leitl aus Haag an der Amper baut seit 30 Jahren Kachelöfen, die so vielfältig sind wie seine Kunden. Jedes Stück ist ein Unikat. Für sein Handwerk benötige man nicht nur Geschick, sondern auch ein gutes Gefühl für Proportionen und vor allem Kreativität

Von Katharina Aurich

Wenn die Tage kälter werden, macht es Freude, den Kachelofen anzuheizen, dem Knistern zu lauschen und die angenehme Wärme zu genießen. Denn anders als ein Heizkörper, der Konvektionswärme erzeugt, gibt der Kachelofen Strahlungswärme ähnlich wie die Sonne ab. Das sei vermutlich der Grund, warum sich auch heutzutage die Spezies Mensch, die schon in Urzeiten am Lagerfeuer saß, am Kachelofen so behaglich fühlt, vermutet Helmut Leitl. Der Ofenbaumeister aus Haag an der Amper baut seit 30 Jahren Kachelöfen, die so vielfältig sind wie seine Kunden.

Ein Kachelofen sei ein Stück Lebensqualität, findet der Fachmann, deshalb habe er sich in seinem Haus vor 20 Jahren zwei große Exemplare in die Küche und in das Wohnzimmer gebaut. Beide Öfen werden vom Treppenhaus aus beschickt, so dass Holz und Asche nicht im Wohnbereich stören. Leitl stellt alle Teile seiner Öfen selbst her, außer natürlich die Brennkammer. Doch bis ein Exemplar entworfen ist, führt der Ofenbauer einige Beratungsgespräche und erläutert seinen Kunden, wie ihr Traumexemplar aussehen könnte.

Meistens kämen Paare zu ihm, die leider oftmals sehr unterschiedliche Vorstellungen über ihren zukünftigen Kachelofen hätten. Dann versuche er zu vermitteln, so dass sich beide auf den neuen Ofen, der ja auch eine Investition bedeute, freuten. Anders als ein Möbelstück könne ein Kachelofen nämlich nur sehr schwer und mit hohen Kosten ausgetauscht werden, wenn sich der Geschmack ändere.

Die allermeisten Kachelöfen stehen inzwischen im Wohnzimmer, manche im Esszimmer, aber kaum mehr in der Küche. Das sei früher anders gewesen, erinnert sich der Ofenbaumeister. Nicht nur über das Äußere, sondern auch über die ausgefeilte Technik im Inneren der Öfen informiert der Fachmann. Denn im Zuge der neuen Emissionsschutzverordnung müssen alle alten Ofeneinsätze zwischen 2017 bis 2023 erneuert werden und bei einem Neubau Einsätze mit einer sogenannten Abbrandsteuerung verwendet werden. Beim Verbrennungsprozess des Holzes entsteht Feinstaub, die neuen Einsätze regeln die Luftzufuhr und Verbrennung optimal, so dass kaum noch Schadstoffe in die Umwelt gelangen, erläutert Leitl. Oftmals wird der neue Kachelofen auch in ein bestehendes Heizsystem integriert, so dass der Ölbrenner weitgehend unbenutzt und die Bewohner damit unabhängig vom Öl sind.

Jeder Ofen sei ein Unikat, das den Geschmack und die Lebensart der Kunden widerspiegle, beschreibt Leitl seinen Anspruch. Nach den ersten Gesprächen mit ihnen baue er ein kleines Ofenmodell im Maßstab eins zu zehn, damit die räumlichen Dimensionen sichtbar werden und die Kunden sich den Ofen besser vorstellen können. Gefällt er ihnen, formt Leitl einen Kachel-Prototyp und stellt aus Alabastergips eine Negativform her, in die er den Ton für die Kachel drückt, sie bemalt, brennt, glasiert und wieder brennt. Dies geschieht so lange, bis Leitl mit dem Ergebnis wirklich zufrieden ist.

Auch nach 30 Jahren Kachelherstellung sei es jedes Mal wieder eine neue Herausforderung, mit der Glasur den richtigen Farbton zu treffen, sagt Leitl. Entspricht die Kachel schließlich genau dem, was sich die Kunden wünschen, beginnt die Serienproduktion. Jede wird von Hand geformt, bemalt und gebrannt. Dann fährt Leitl mit Kombi und Hänger an den Standort des neuen Ofens und baut ihn Kachel für Kachel selbst auf. Dafür ist er dann eine gute Woche lang im Haus oder der Wohnung seiner Kunden zu Gast. Um einen rundum gelungenen Kachelofen zu entwickeln, benötige man nicht nur handwerkliches Geschick, sondern ein gutes Gefühl für Proportionen und vor allem auch Kreativität. Denn jeder Kunde solle das Gefühl haben, er besitze den allerschönsten, sagt Leitl.

Für ihn selbst hat der Kachelofenbau auch nach drei Jahrzehnten nichts von seinem Reiz verloren, Routine gebe es nicht. Die Nachfrage nach Kachelöfen sei bei ihm in den vergangenen drei Jahrzehnten unverändert, sagt Leitl. Sowohl für neue Häuser wünschten sich viele Bauherren diese wohnliche Heizquelle, aber auch Besitzer von Eigentumswohnungen lassen sich einen Kachelofen einbauen.

Manchmal fährt der Ofenbauer bis nach München und errichtet auch in Penthäusern einen Kachelofen. Die Parkplatzsuche für seinen kleinen Transporter samt Hänger sei in der Stadt jedes Mal eine Katastrophe, erzählt der Handwerksmeister. Als er mit dem Ofenbau begann, waren grüne Schüsselkacheln der Renner, erinnert sich Leitl. Heute seien es eher schlichte, dezente Modelle, die er in seiner Werkstatt entwirft. Meist wünschten die Kunden inzwischen geschlämmte, verputzte Kaminöfen mit großen Glasflächen. Besonders Männer empfänden diese urzeitliche Situation, vor den Flammen zu sitzen und beim Flackern zu träumen, offensichtlich als sehr angenehm.

Eine Ausbildung zum Ofenbauer ist an der Städtischen Berufsschule für das Spenglerhandwerk, Umwelt, und Versorgungstechnik, Luisenstraße 11, München, möglich. Lesen Sie in der Dienstagsausgabe: Das Handwerk des Bootsbauers.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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