Grünwald:Junge Wirte wollen den Fluch brechen

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Seit Richard Süßmeier das Forsthaus Wörnbrunn nach einem Brand mit einem Toten aufgab, brachte die Gaststätte den Pächtern kein Glück. Nächste Woche eröffnen die Event-Unternehmer Tobias Kub und Korbinian Zitnik dort eine bayerische Brasserie mit Genussgarten

Von Udo Watter und Claudia Wessel, Grünwald

"Was war bei uns los", schwärmt Richard Süßmeier, 88, beim Rundgang an seiner einstigen Wirkungsstätte, dem Forsthaus Wörnbrunn, das ihm von 1975 bis 1995 gehörte. Von 1975 bis 1982 hatte er es verpachtet, dann baute er es um, und 1983 wurde er selbst der Wörnbrunn-Wirt. An Weihnachten, Ostern und allen Feiertagen sei das Gasthaus voll besetzt gewesen. "600 Portionen Gänsebraten gab's an Kirchweih, 150 Gänse haben wir dafür gekauft." Seine 30 Köche seien vollbeschäftigt gewesen. Überhaupt, als Süßmeier noch Wirt in Wörnbrunn war, herrschte dort permanente Feierstimmung, wie er versichert. "Hier habe ich immer eine Maiandacht gemacht", sagt er und zeigt auf die Marienfigur an der rechten Hausseite, die er einst hat herstellen und anbringen lassen. Aber es gab auch weniger fromme Veranstaltungen, etwa den Schnallenball und andere Faschingsvergnügungen, Weinfeste und vieles mehr.

Als er an diesem Dienstagnachmittag auf das Gittertor des Gasthauses blickt, das seit Anfang des Jahres leer steht, herrscht angemessene Tristesse. Es regnet, das Tor ist verschlossen, im Hof wuchern die Gräser und Sträucher, unter dem Dach des einen Flügels stapeln sich Stühle und rund ums Haus steht hohes Grün.

Diese elegische Stimmung angesichts des monatelangen Leerstands ist jetzt freilich überraschend einer Aufbruchsstimmung gewichen, die wie aus dem (Trachten)-Hut gezaubert wirkt: Schon am kommenden Dienstag wird hier wieder Betrieb sein, und zwei Tage später, am Donnerstag, 20. September, steigt unter dem Namen "Grand Opening" ein Eröffnungsfest für geladene Gäste. Tobias Kub und Korbinian Zitnik heißen die neuen Pächter und Wirtsleute des Forsthauses Wörnbrunn, ihrem gastronomischen Konzept entsprechend nennen sie es "bayerische Brasserie" mit "Genussgarten". Wie kam es zu dieser überraschenden Entwicklung?

"Wir hatte es schon länger im Blick, ich fahre auf meinem Arbeitsweg auch immer dran vorbei", sagt Kub, der in Grünwald wohnt und in Oberhaching arbeitet. Dort ist der Sitz des Gastro-Personaldienstleisters "Waitersclub", den er zusammen mit Zitnik aufgebaut hat. Das Start-up-Unternehmen, das unter dem Etikett "Premium Event Service" firmiert und Personal für Veranstaltungen aller Art vermittelt, hat sich jüngst offenbar prächtig entwickelt. "Es ist steil bergauf gegangen", sagt Kub. Nicht zuletzt deshalb haben sich er und Zitnik nun entschlossen, in Wörnbrunn zuzugreifen, nachdem es bereits im Januar dieses Jahres erste Interessensbekundungen gab. Die Voraussetzungen für die beiden Geschäftsführer, die zunächst einmal einen Pachtvertrag für ein Jahr unterzeichnet haben, sind besser, als die, unter denen etliche ihrer Vorgänger den Betrieb führen mussten.

Tobias Kub und Korbinian Zitnik (von links) wollen an die großen Zeiten des Forsthauses Wörnbrunn anknüpfen. (Foto: Claus Schunk)

Daran erinnert etwa ein verblasstes Schild, das der frühere Wirt Hanns-Werner Glöckle aufgestellt hatte, als das Gasthaus schon der Paulaner-Brauerei gehörte, an die Süßmeier 1995 verkauft hatte. "Sehr verehrte Gäste. Wir müssen auf unsere Nachbarschaft Rücksicht nehmen. Daher bitte nicht hupen, laut sprechen oder Radio hören." Glöckle hatte großen Ärger mit einem Nachbarn, der beim Landratsamt strenge Auflagen erwirkte, um den Lärm einzudämmen. So streng, dass es sogar Demonstrationen von Bürgern dagegen gab, ähnlich denen, mit denen einst der Biergarten der Waldwirtschaft Großhesselohe vor zu frühem Feierabend gerettet wurde. Sie nützten aber in diesem Falle nichts, obwohl das Gasthaus eigentlich fern ab von allen Wohnungen liegt. Süßmeier übrigens berichtet, er habe mit diesem Nachbarn keinen Ärger gehabt, er habe ihn eben hofiert und oft eingeladen, dadurch sei Ruhe gewesen.

Der Nachbar verkaufte das Haus später an die Gemeinde, heute steht dort ein Kindergarten. Seit 2004 gehört das Gasthaus der in Grünwald geborenen Tierärztin Eva-Maria Bartenschlager, die jedoch inzwischen in der Schweiz lebt. Sie hat es im Jahr 2013 ausgiebig renoviert und die 19 Hotelzimmer als Motto-Zimmer fantasievoll ausgestattet. So gibt es etwa ein König-Ludwig-Zimmer oder ein Himmel-der-Bayern-Zimmer, ein ganz weißes Hochzeitszimmer und ein Karl Valentin gewidmetes - schöne Räume, in denen sich in jüngerer Vergangenheit der Staub angesammelt hat, die aber nun in frischem Glanz wieder ihre Türen öffnen: Von 21. September an können Gäste wieder in Wörnbrunn übernachten. Auch der Kiosk - am Haus vorbei führt eine bei Radlern recht beliebte Strecke - soll neu belebt werden.

Diese überraschende Renaissance ist ein neues Kapitel in der bewegten Geschichte des Hauses, das freilich auf Altbewährtem in der Tradition Süßmeiers basiert. Dabei hätte es auch ganz anders kommen können. Als Bartenschlager Wörnbrunn von der Paulaner-Brauerei kaufte, hatte sie Großes vor: Sie wollte nicht nur das Gasthaus, sondern auch ein anliegenden Grundstück, um aus dem Ganzen ein größeres Projekt zu machen. Der Anwalt der Besitzerin spricht unter anderem von einem Gestüt. Es kam nicht dazu, weil die Gemeinde von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte und das anliegende Grundstück dem Freistaat selbst abkaufte.

Die historische Aufnahme stammt aus den Fünfzigerjahren. (Foto: Claus Schunk)

"Nachdem wir von Bürgern angesprochen worden waren," erzählt Grünwalds Zweiter Bürgermeister Stephan Weidenbach (CSU), "dass da eine Wellnessgeschichte gemacht werden soll", habe der Gemeinderat sich das Grundstück gesichert. Die Bürger hätten das absolut nicht gewollt, da Wörnbrunn doch ihr Erholungsgebiet sei. Die Gemeinde kaufte nicht, um dort etwas zu bauen, sondern um eben nichts zu bauen, wie Weidenbach betont.

Zwar sei die Aufstellung eines Bebauungsplans Bedingung für die Ausübung eines Vorkaufsrechts, doch habe man den Bebauungsplan mit Absicht sehr wenig einladend gestaltet. Man müsse allerdings in dem Gebiet noch Streuobstwiesen schaffen und Wegebeziehungen einrichten. Eva-Maria Bartenschlager, die damals bereits den Vertrag mit dem Freistaat unterschrieben hatte, musste ihre großen Pläne jedenfalls wieder aufgeben. Was ihr blieb, war lediglich ein Gasthaus. "Dabei wollte sie nie nur ein Gasthaus haben", so ihr Anwalt.

Bartenschlager sah und sieht es als Schikane, konnte aber nichts dagegen tun. Sie verpachtete die Gaststätte nach der Renovierung zunächst 2006, bekam mit dem Wirt jedoch Ärger wegen Schönheitsreparaturen, weil er diese nicht ausführte, weshalb sie ihn schließlich zum 31. Dezember 2012 rauswarf. Die Nachfolger von 2013, eine Forsthaus Wörnbrunn GmbH, musste im Februar 2015 Insolvenz anmelden. Deren Nachfolgerin wiederum, die Gastronomin Tatjana Rehklau, musste aufhören, weil sie sich mit Bartenschlager nach den ersten zwei Jahren ihres Vertrags, von Januar 2016 bis Ende 2017, nicht über die Fortsetzung einigen konnte. "Die Pacht war sehr niedrig, auch aufgrund der Traglufthalle mit den Flüchtlingen", sagt der Anwalt. Zu einer Fortsetzung des Vertrags über zehn Jahre und zu niedriger Pacht, wie laut Anwalt von den Wirten gewünscht, kam es nicht. Seit Anfang Januar 2018 stand das Haus leer.

Dass alle Betreiber nach Süßmeier trotz der schönen Lage, der ansprechenden Architektur und eines gewissen gesellschaftshistorischen Glamours hier nicht glücklich wurden, wissen natürlich auch Zitnik und Kub. "Wir hoffen, wir können den Fluch brechen", erklärt Kub lachend. Das nötige Know-how dürften die beiden haben, verwurzelt am Ort sind sie auch da und ein Talent für gesellschaftliche Kontaktfreude à la Süßmeier dürfte auch nicht schaden. Dass der Laden zu seiner Zeit gebrummt habe, lag ja nicht zuletzt am eigenwilligen Charisma des damaligen Wirtes. "Auch, weil mich jeder kannte und ich den Kopf aus jedem Fenster gehängt habe", wie Süßmeier sagt. Man kannte ihn als Wiesnwirt, dem allerdings 1984 die Konzession entzogen wurde, unter anderem, weil er ausländische Kräfte ohne Arbeitserlaubnis beschäftigte. Die Wiesnjahre seien aber auch ein Grund gewesen, warum er Wörnbrunn so gut führen konnte, etwa mit der großen personellen Besetzung. "Mit den Finanzen im Hintergrund war das kein Problem."

Das Forsthaus Wörnbrunn gehörte Richard Süßmeier von 1975 bis 1995. (Foto: Claus Schunk)

Auch habe er sich, nachdem er nach Grünwald gezogen war, sofort ins Gesellschaftsleben eingebracht, so etwas sei sehr wichtig als Wirt. "Ich bin Mitglied bei den Freunden Grünwalds geworden und habe mit ihnen Theater gespielt, ich war überall dabei." Ein Wirt müsse nun mal bekannt sein, findet Süßmeier. Nachdem allerdings 1991 ein Feuer in dem Gasthaus mit Hotel ausbrach, bei dem ein 54-jähriger Gast aus Kanada starb, und ein Schaden von zwei Millionen Mark entstand, beschloss Süßmeier, Wörnbrunn an die Paulaner-Brauerei zu verkaufen. "Ich musste ja auch an meine Kinder denken und wollte ihnen keine Schulden hinterlassen." Wirkliches Glück hat seitdem kein einziger Wirt mehr gehabt. Auch die Paulaner-Brauerei wollte schon 2004 das Haus wieder loswerden.

Die neuen Pächter, die statt klassischer Biergartenangebote eher "leichte bayerische Schmankerl" offerieren wollen, haben es in vieler Hinsicht leichter: Es gibt keinen unliebsamen Nachbarn mehr, die Traglufthalle mit den Flüchtlingen ist auch Geschichte und die Tatsache, dass nun in der Nähe ein Kindergarten ist, dürfte keine Komplikationen zeitigen. "Der schließt um 16 Uhr, wir machen um 15 Uhr auf. Das ist überhaupt kein Problem", erklärt Kub. So darf man gespannt sein, ob Zitlik und Kub das umsetzen, was sie auf der neuen Homepage erklären: "Einst eine gastronomische Institution, groß gemacht vom 'Wiesnwirtnapoleon' Richard Süßmeier, hat der Ruhm des denkmalgeschützten Hauses in den letzten Jahren etwas gelitten. Und das wollen wir wieder ändern und dem Forsthaus Wörnbrunn wieder den verdienten Platz im Münchner Gastronomieuniversum zurückgeben."

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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