Grasbrunner Kita-Konzept:Die Akte Kind

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Kinder sollen gefördert werden. Erzieher setzen dabei auf eine intensivere Dokumentation. Dabei besteht die Gefahr, dass am Ende die Zeit fehlt, sich gezielt um die Kinder zu kümmern

Von Christoph Hollender

Geht es um Kinder, steht eines außer Frage: Dass sie besonderen Schutz und besondere Fürsorge in der Gesellschaft genießen. Was das genau bedeutet und wie die Erziehung aussehen soll, darüber lässt sich dagegen streiten. In vielen Erziehungseinrichtungen geht der Trend seit Jahrzehnten zur Stärkung der Persönlichkeit und Individualität der Kinder. So auch in der Grasbrunner Kinderwelt, wo das im neuen Konzept festgeschrieben ist. Lange vorbei sind die Zeiten der autoritären Erziehung - und das ist gut so. Bildungsforscher stellen aber auch fest, dass Eigenschaften wie Bescheidenheit oder Verzicht seltener bei Kindern werden.

Um ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden, planen die Einrichtungen ihre Tage und ihre Inhalte maßgeblich durch. Natürlich sollten die Kinder ein breites Spektrum an Wissen, Normen und Verhaltenswerten vermittelt bekommen. Nur kann mit Blick auf ein solches Konzept schnell das Kind selbst auf der Strecke bleiben. Das wird bei der Organisation deutlich. In der Tagesplanung der Kinderwelt Grasbrunn gibt es beispielsweise eine feste 30-minütige Wickel- und Händewaschzeit. Wenn man das liest, muss man fast schmunzeln.

Kritisch wird es, wenn ein Konzept sogenannter Portfolio-Arbeit eingeführt oder intensiviert werden soll, wie es zukünftig in der Kinderwelt in Grasbrunn der Fall sein wird. Eine ständige Dokumentation durch das Personal soll die Entwicklungsschritte der Kinder festhalten. Das mag vom Ansatz her grundsätzlich richtig sein, aber es kann in der Praxis schnell dazu führen, dass für das Kind selbst weniger Zeit bleibt.

Ein Kind muss Kind bleiben und darf keine Akte werden. Gerade in Zeiten, in denen in vielen Kindergärten Fachkräfte fehlen, kann weniger mehr sein. Die Zeit, die die Erzieher beim Papierkram sparen, könnte sinnvoller genutzt werden. Zum Beispiel, um mit den Kindern zu spielen oder mit ihnen etwas Kreatives zu unternehmen und sie dabei individuell zu fördern.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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