Gelebte Integration:Teamwork mit Händen und Füßen

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Bei einer Rallye im Oberschleißheimer Jugendzentrum Tower lösen Schüler aus Unterschleißheim gemeinsam mit jungen Flüchtlingen die unterschiedlichsten Aufgaben - und kommen sich dabei näher

Von Magdalena Mock, Oberschleißheim/Unterschleißheim

Was heißt Schmetterling auf Englisch? Klar, Butterfly. Aber auf Arabisch? Die Schüler der Clara-Grunwald-Schule aus Unterschleißheim schauen sich ratlos an. "Farāša", wirft ein Junge aus Syrien ein. "Wie schreibt man das?", fragt eines der Mädchen. "Na ja, so", sagt der junge Flüchtling und malt die arabischen Schriftzeichen mit der Hand in die Luft. "Cool!", freut sich das Mädchen und versucht mitzuschreiben.

Die knapp 50 Schüler der Mittelstufe der Clara-Grunwald-Schule aus Unterschleißheim treffen sich in der Jugendbegegnungsstätte am Tower in Oberschleißheim mit minderjährigen Flüchtlingen. Die 20 asylsuchenden Jungen, alle zwischen 16 und 17 Jahre alt, sind allein nach Deutschland geflohen und wohnen nun in der Containeranlage bei Oberschleißheim. Die meisten von ihnen kommen aus Syrien und Afghanistan, einige aus Eritrea und Gambia. Ein Junge stammt aus dem Irak.

"Bei dem Treffen geht es vor allem darum, die Jugendlichen zu mischen", sagt Astrid Hummeltenberg von der Jugendbegegnungsstätte. "Sie kennen sich ja sonst nur von Weitem, aus dem Fernsehen oder der S-Bahn", ergänzt Martha Hehs-Ntetsikas von der Clara-Grunwald-Schule. Viele ihrer Schülerinnen und Schüler hätten Respekt vor der Flüchtlingssituation, erzählt die Lehrerin. Die Organisatoren erhoffen sich, durch die interkulturelle Begegnung gegenseitige Vorurteile der Jugendlichen abzubauen, ihnen Berührungsängste zu nehmen und Verständnis füreinander zu schaffen.

An der Fotostation sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Möglichst verrückt und witzig soll das Bild werden. (Foto: Robert Haas)

Wie ginge dies leichter, als im gemeinsamen Spiel: Bei einer Rallye versuchen die Jugendlichen in gemischten Gruppen von sechs bis sieben Personen gemeinsam verschiedene Stationen zu meistern. Besonders wichtig ist, dass alle Jungen und Mädchen mit ihrem Wissen zum Zug kommen. So etwa bei der Aufgabe, ein Wort in so viele Sprachen wie möglich zu übersetzen. Zum Beispiel eben "Schmetterling". Es ist ein gegenseitiges Lernen auf Augenhöhe, von dem alle profitieren.

Diesem Prinzip folgend sind die Stationen der Rallye thematisch unterschiedlich aufgebaut. Für jedes Talent ist etwas dabei. Mal ist Geschicklichkeit gefragt, wie beim Bauen von Tetraedern aus Bambus, mal Musikalität und Rhythmusgefühl: Fetzig tönen die Cajóns, Rasseln und Tambourine durch die große Halle der Jugendbegegnungsstätte in der Ferdinand-Schulz-Allee und verbreiten Sambastimmung. Auch sportliche Jugendliche können ihr Talent zeigen. Beim Tischtennisrundlauf und beim Badminton sollen so viele Ballwechsel wie möglich erzielt werden. Dabei zählen die Jugendlichen laut mit. So verbindet sich Sport mit Sprachunterricht.

Bei der Rallye-Station "Weihnachtsbaum" geht es um Teamwork: Nur wenn alle buchstäblich an einem Strang ziehen, gelingt es, die Form nachzufahren. (Foto: Robert Haas)

Schauspielerisch Begabte toben sich beim Verkleiden und Fotografieren aus. Sie suchen Masken, Perücken, Requisiten zusammen und posieren vor der Kamera. Möglichst verrückt und witzig soll das Foto werden. Dem Ideenreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Eine Schülerin erntet Applaus, als sie mit einer Horrormaske kostümiert einen Spagat hinlegt.

Besonders charmante Szenen spielen sich inzwischen bei der Pantomime ab. Während ein Junge aus Afghanistan schüchtern das Wort "Kuss" nachstellt, bricht kichrige Heiterkeit unter den Zuschauern aus. An einer anderen Station wird zusammen gemalt. Bei allen Aktionen steht nicht der Wettbewerb im Vordergrund. Es geht Teamwork und Kommunikation. Und natürlich um Spaß. Der kommt nicht zu kurz.

Die Integration der jungen Asylbewerber klappt im wahrsten Sinne des Wortes spielend. Trotz des teilweise großen Altersunterschiedes von bis zu sieben Jahren verstehen sich die Jugendlichen blendend. Auch in der Pause bleiben sie gemischt. Jungs, Mädchen, Deutsche, Syrer, Afghanen: Sie stehen in Grüppchen zusammen, lachen, albern, unterhalten sich - meist mit Händen und Füßen. Es gibt Mandarinen und selbst gebackene Plätzchen. Die Stimmung ist gelöst und entspannt. "Es ist echt super! Die sind voll nett!", sagt ein Mädchen im roten Pullover. Auch die jungen Flüchtlinge amüsieren sich. "Sie waren total begeistert von der Idee!", sagt eine Betreuerin der Jungen aus der Containeranlage. Ganz aufgeregt seien sie gewesen, als sie erfahren hätten, dass sie Gleichaltrige treffen werden. Bei den Aufgaben an der Stationen sind sie äußerst wissbegierig und motiviert. Neben allem Spiel und Spaß lernen sie auch noch Deutsch. "Alles kommt super an!", sagt die Betreuerin.

Nach der Rallye steht ein Mittagsbuffet mit Gemüse und Häppchen für die Teilnehmer bereit. Zum Abschluss gibt es, auch wenn es nicht dezidiert um Weihnachten geht, für jeden Jungen aus der Containeranlage eine Kleinigkeit. Ein gutes Deodorant, ein Duschgel, etwas für die Haare. Immer zwei Schüler überreichen einem Flüchtling ihr Geschenk. Das Geld dafür haben sie selbst gespendet. Die jungen Asylsuchenden sind gerührt und freuen sich.

Zwei weitere Treffen dieser Art möchte die Clara-Grundwald-Schule noch mindestens in Kooperation mit der Jugendbegegnungsstätte organisieren. Nach dem Erfolg dieser ersten Veranstaltung sind alle freudig darauf gespannt.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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