Kulturstadt:Vier gewinnt

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Die lokalen Tassilo-Preisträger feiern die Kulturstadt Garching

Von Udo Watter, Garching

Liegt über der kleinen Universitätsstadt Garching ein besonderer kultureller Zauber? Inspiriert sie die dort lebenden und arbeitenden Menschen mit ihrem Genius Loci eher zu außergewöhnlichen geistigen und musikalischen Höhenflügen als etwa die angrenzenden Orte? Nun, die Oberschleißheimer oder Ismaninger werden dazu ihre ganz eigene Meinung haben, aber in einer Kategorie sind ihnen die Garchinger definitiv voraus: Keine Gemeinde im Landkreis München stellt bisher gleich vier Gewinner des seit 1999 alle zwei Jahre vergebenen Tassilo-Kulturpreises der SZ.

In der Bibliothek und vor den Augen von Bürgermeister Dietmar Gruchmann (l.) interviewt Jürgen Heckel den Musikschulleiter Norbert Kuttas. (Foto: Robert Haas)

Zu einer Art familiären Gipfeltreffen der Preisträger unter dem Motto "254 Jahre Kultur in Garching" kam es am Mittwoch in der Stadtbücherei. Initiiert von Gerd Pöllitsch, der mit den "Garchinger Pfeifern" 2014 ausgezeichnet wurde und dessen Gruppe die Veranstaltung mit alten bayerischen Klängen und Instrumenten begleitete, waren auch Albert Neuhauser (2000), Jürgen Heckel (2002) und Herbert Becke (2010) als Protagonisten und Beispiele für die Vielfalt des hiesigen Kulturlebens zu Gast. Zusammen sind sie 254 Jahre alt. Am heimischsten wird sich vor der Kulisse der Bücherregale Jürgen Heckel gefühlt haben. Als ehemaliger Leiter der Bücherei und befeuert von der Maxime "Jeder kleine Schritt schafft neue Sichtweisen" hat er hier in vielen Jahren einen lebendigen Raum der Begegnung geschaffen und mit Veranstaltungen und auch seinen Interviews beim Publikum reüssiert. Sein Talktalent durfte er auch an diesem Abend, der im Rahmen der Festlichkeiten zu "1100 Jahre Garching" zelebriert wurde, mit zwei lokalen Größen entfalten: der ehemaligen Lehrerin Liesl Urbas, die sich in Leseprojekten mit Kinder engagierte hatte, und die er als im folgenden Sinne politisch lobte: "Politik ist die ständig zu diskutierenden Frage, wie wir alle miteinander umgehen sollen." Die Kunst des sozialen und kulturell befeuerten Miteinander schwang generell an diesem Abend als Leitmotiv mit: Auch der Musikschulleiter Norbert Kuttas wurde von Heckel im zweiten Interview für sein Engagement gewürdigt. Berührend der Auftritt von Albert Neuhauser. Der Kirchenmusiker und Gründer des Musik- und Theatervereins "Zeitkind" hat viele Generationen musikfreudiger Jugendlicher gefördert: "Mein Anliegen ist es immer gewesen, die Künste herauszulocken." Als Spiritus Rector zahlreicher Garchinger Eigenproduktion hatte er einige aktuelle und ehemalige Eleven mitgebracht, die aus den Musicals "Das Geheimnis des sechsten Buches" und "Feuerhex" sangen.

Gerd Pöllitsch von den Garchinger Pfeifern (Foto: Robert Haas)

Als letzter des Tassilo-Preisträger-Quartetts nutzte Herbert Becke die Gelegenheit, ausgiebig auf vergangene Höhepunkte des Kulturlebens in Garching zurückzublicken. Der ehemaliger Leiter der Volkshochschule im Landkreis-Norden, Fotograf und Begründer des äußerst erfolgreichen Kleinkunstreihe "Kulturdonnerstag" (1976 bis 2008) zeigte zahlreiche alte Fotos von dort aufgetretenen Künstler und wartete mit schönen Anekdoten auf. So erfuhr man, dass Fredl Fesl, der 1978 erstmals in Garching gastierte, früher länger in Hochbrück lebte und ihn dieser Ortsteil offenbar zu manch satirischem Lied inspirierte. Mit berechtigtem nostalgischem Stolz und erzählerischer Lust ließ Becke die beeindruckende Geschichte des Kulturdonnerstags Revue passieren - viele später erfolgreiche Kabarettisten wie Django Asül, Helmut Schleich oder Christian Springer hatten hier erste größere Auftritte. Beckes Blick war im Beisein von Bürgermeister Dietmar Gruchmann freilich auch auf die Gegenwart gerichtet. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er das Verhältnis der lokalen, engagierten Kultur "von unten", für das etwa die vier Preisträger stünden, zum Kulturamt der Stadt als suboptimal empfindet. "Das muss ein Ausgleich her." Als Forum für all zu ausführliche Kritik wollte Büchereileiterin Gabriele Malek die Veranstaltung freilich nicht verstanden wissen. "Wir sind ja vor allem zum Feiern hier", erklärte sie. Zur Feier von vier Preisträgern und einer besonderen kulturellen Vielfalt.

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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