Folge der Säkularisation:Heilige Messe im Speisesaal

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Mangels eigener Kirche feierten die Katholiken im Alten Schloss Schleißheim ihre Gottesdienste

Von Gudrun Passarge

Das Alte Schloss Schleißheim blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Da spielen Herzöge und Kurfürsten eine Rolle, aber auch Käse und Bier kommen vor, und da ist die Geschichte des ehemaligen Speisesaals im Alten Schloss, der 1818 zur Hofkirche umfunktioniert wurde. Am 12. August 1818 segnete Hofkurat Michael Diehl das Gotteshaus, das dem heiligen Wilhelm geweiht war. Das und noch einiges mehr wird Otto Bürger bei einer Führung an diesem Samstag berichten.

Bürger hat stets alle wichtigen Dokumente und Unterlagen zur Hand, wenn es um die Ortsgeschichte Oberschleißheims geht. Es dauert nur einen kurzen Moment und er hat die Urkunde parat, in welcher der damalige Finanzminister Maximilian von Montgelas 1815 noch einmal die Zusage des bayerischen Königs bestätigte, den alten Speisesaal in eine Kirche umzuwidmen. Kosten: 2381 Gulden und 18 Kreuzer, die der bayerische Staat übernehmen wollte. Zum Vergleich: Ein einfacher bayerischer Soldat verdiente in dieser Zeit zweieinviertel Gulden im Monat, ein kommandierender General 666, wie Dietrich Klose und Franziska Jungmann-Stadler in ihrem Buch "Königlich Bayerisches Geld" schreiben.

Dass Schleißheim überhaupt eine Kirche brauchte, lag an der Säkularisation in Bayern. Die erst 1790 gegründete Hofpfarrei unter Leitung der Franziskaner in Mittenheim fand 1802 ein jähes Ende mit der Zerstörung der dortigen Klosterkirche. Damit fehlte der christlichen Bevölkerung ein Versammlungsraum. Zur damaligen Zeit lebten knapp 600 Menschen in Schleißheim. Hofkaplan Diehl wandte sich deswegen an seinen früheren Studienkollegen, der inzwischen als Maximilian I. auf dem bayerischen Königsthron saß.

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(Foto: Florian Peljak)

In der prachtvollen Halle im Alten Schloss werden heute die Eintrittskarten verkauft.

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(Foto: oh)

Eine alte Postkarte aus dem Archiv Bürger, die um 1930 aufgenommen wurde, zeigt die frühere Hofkirche im Alten Schloss.

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(Foto: Florian Peljak)

Heute dient der Raum als Eingangshalle.

In der neuen Schleißheimer Kirche zierten sechs Gemälde von Peter Candid die Decke, die sich mit dem ländlichen Gut beschäftigten, das Herzog Wilhelm V. aufgebaut hatte. Dort wurden Tiere gehalten, ein köstlicher Käse nach "Parmasan" Art hergestellt, wie Zeitgenossen berichteten, und auch Bier wurde gebraut. Bürger hat auch hier wieder eine Darstellung im Gepäck, die zeigt, dass nach dem Anschluss an die Eisenbahn sogar eigene Schienen zur Brauerei gelegt worden waren. Die Bilder Candids in dem 1617 erbauten Alten Schloss zeigten dann auch ruhende Hirten, Männer beim Melken und Buttern, ein Feiermahl und ein Dankopfer an den griechischen Hirtengott Pan.

Die Bilder wurden in der Kirche abgehängt, stattdessen konnten die Gottesdienstbesucher die vier Evangelisten an der Decke betrachten. Nach 1928 waren Candids Bilder wieder zu sehen, wie eine alte Postkarte beweist. Doch die Kirche, so erzählt Otto Bürger, wurde im 20. Jahrhundert zu klein für die große Schar der Gläubigen. Der Ort zählte mittlerweile circa 3500 Einwohner. So entstand 1934 der Neubau der Maria Patrona Bavariae an der Hofkurat-Diehl-Straße. Unter Kardinal Michael Faulhabers Führung seien die Katholiken in die neue Kirche eingezogen.

Das Glück blieb den Schleißheimern jedoch nicht lange gewogen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Marienkirche schwer beschädigt, die Kirchengemeinde zog wieder um ins Alte Schloss. Aber auch das wurde bei einem Bombenangriff im April 1945 fast ganz zerstört, nur die Westwand sei noch stehen geblieben, berichtet Bürger. Das Alte Schloss wurde in den Siebzigerjahren wieder aufgebaut, "mehr oder weniger originalgetreu", wie Bürger sagt. Die allegorischen Deckenmalereien Candids sind allerdings perdu. An der Decke sind jetzt symmetrisch angeordnete weiße Löcher von Stuck umrahmt. "Man hatte nicht die Künstler, um die Candid-Bilder zu malen." Immerhin kann Bürger sie in einem seiner zahlreichen Bildbände zum Schloss betrachten, weil sie fotografiert wurden vor dem Weltkrieg.

In den Siebzigerjahren wurde der Raum im Alten Schloss originalgetreu wieder aufgebaut. (Foto: Florian Peljak)

In seiner Führung wird Bürger auch von den Höhepunkten der Kirche berichten. Etwa davon, dass hier 1822 die landwirtschaftliche Centralschule eröffnet wurde, "ein Vorläufer der Uni in Weihenstephan". Sie wurde 1852 nach Weihenstephan verlegt und Schleißheim bekam dafür die Kreis-Ackerbauschule, die bis 1878 hier angesiedelt war. 1880 folgte das Remonte-Depot, eine Ausbildungsstätte für Militärpferde, was Ludwig II. angeordnet hatte. Nicht zuletzt deswegen wird das Bier, das die Brauereigenossenschaft Schleißheim wieder brauen lassen will, auch den Namen Remontebräu tragen.

Der Spaziergang der "Freunde von Schleißheim" beginnt am Samstag, 11. August, um 14 Uhr. Treffpunkt ist die Freitreppe am Alten Schloss. Themen sind der Wilhelmshof und die Hofkirche inklusive einem Käseschmankerl. Der Eintritt kostet drei Euro, für Vereinsmitglieder ist er frei.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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