Folge 7:Leitstrahl für Fledermäuse

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Seit 1989 unter Schutz gestellt, bietet das Gehölz beidseits des Biedersteiner Kanals den bedrohten Tieren einen geeigneten Lebensraum. Kennerin und engagierte Hüterin dieses Biotops ist Irene Frey-Mann

Von Sonja Niesmann, Nymphenburg/Neuhausen

Myotis daubentonii, Pipistrellus pipistrellus und Nyctalus noctula mögen Strukturen. "Eine Linie, an der entlang sie sich orientieren", präzisiert Irene Frey-Mann. Und dieses fröhlich gluckernde, schmale Gewässer, an beiden Ufern dicht von Bäumen und Büschen gesäumt, ist so eine Struktur. Sie erlaubt Myotis daubentonii, der Wasserfledermaus, Pipistrellus pipistrellus, der Zwergfledermaus, die in eine Streichholzschachtel passen würde, und Nyctalus noctula, dem Großen Abendsegler, weite Wege ausschließlich im Grünen, vernetzt den Nymphenburger Schlosspark über das Olympiagelände mit dem Englischen Garten.

Goldgrüne Einflugschneise: Fledermäusen bietet der Biedersteiner Kanal ein überlebenswichtiges Rückzugsgebiet. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Den nötigen Lebensraum "insbesondere für die Fledermäuse" zu bewahren, ist als oberstes Ziel aufgeführt in der Verordnung, mit der die Stadträte 1989 das Gehölz beiderseits des Biedersteiner Kanals in Nymphenburg als "Landschaftsbestandteil" unter Schutz gestellt haben. Das tut auch dringend not, die meisten einheimischen Fledermausarten sind vom Aussterben bedroht, auch wenn der Niedergang der Populationen nicht mehr ganz so steil verläuft. In München gibt es laut Landesbund für Vogelschutz (LBV), dessen Kreisgruppe und Arbeitskreis Fledermäuse die 70-jährige Frey-Mann leitet, acht Arten. Dazu zählen neben den drei schon erwähnten Zweifarbfledermaus, Rauhautfledermaus, Großes Mausohr, Kleine Bartfledermaus und Braunes Langohr.

Die unter Schutz stehende Strecke beginnt bei der Fußgängerbrücke an der Tintorettostraße, unweit der verkehrsumspülten Menzinger Straße, quert das grüne, ruhige Gern, passiert die azurblauen Becken und Liegewiesen des Dantebades und endet nach knapp zwei Kilometern an der ebenfalls stark befahrenen Dachauer Straße; unter ihr taucht der Wasserlauf durch in den Olympiapark. Von dort sind es noch 6,8 Kilometer zum Englischen Garten Nord. Der Nymphenburg-Biedersteiner Kanal ist Teil eines weitläufigen, künstlich angelegten Wasserwegenetzes, das die Schlösser Nymphenburg, Schleißheim und Dachau verbindet.

Bedroht: Die Wasserfledermaus zählt zu den acht Fledermausarten, die es in München gibt. (Foto: Günther Reger)

Irene Frey-Mann kennt sich hier so gut aus wie in ihrem eigenen Vorgarten. Sie wohnt seit 20 Jahren ganz in der Nähe und ist nicht nur eine der ersten Anlaufstationen, wenn es gilt, verletzte oder obdachlos gewordene Fledermäuse aufzupäppeln. Sie betreut hier am kleinen Kanal auch gut ein Dutzend der rund 3800 Nistkästen für Vögel, die der LBV in der Stadt aufgehängt hat. Mönchsgrasmücke, Kohl- und Blaumeise, Amsel und Kleiber, Zaunkönig und Buntspecht finden ihr Refugium im dichten Laub, durch das nur hie und da Sonnenlicht auf den schattigen Pfad tüpfelt. Pappeln, Berg-, Spitz- und Feldahorn, Esche, Linde, Ulme, Rosskastanie, Wildkirsche wechseln sich ab an den Ufern und in zweiter Reihe - hier etwas abzureißen, abzupflücken, zu beschädigen oder auch nur "Bild und Schrifttafeln" anzubringen ist streng verboten. "Aber der da", Frey-Mann zupft stirnrunzelnd an einem großblättrigen Stengel, "der nimmt leider immer mehr zu". Japanischer Knöterich, offenbar "ausgerissen aus irgendeinem Garten und kaum mehr auszurotten".

Fledermaus-Expertin Irene Frey-Mann, Vorsitzende der Kreisgruppe München des Landesbundes für Vogelschutz (Foto: Alessandra Schellnegger)

Auf der Suche nach fachkundigen Auskünften, egal ob zu diesem wuchernden Knöterich-Eindringling, zur Gehölzpflege am Biedersteiner Kanal allgemein oder zu besonders stattlichen Bäumen dort, bleibt man erst einmal in einem Zuständigkeits-Gestrüpp stecken. Wasserwirtschaftsamt München, Untere Naturschutzbehörde, städtisches Baureferat, irgendwie ist keiner für alles, aber alle sind für irgendwas zuständig. Die Verkehrssicherungspflicht hat das Wasserwirtschaftsamt. Seine Mitarbeiter greifen zur Säge, wenn Äste abzubrechen oder Bäume umzustürzen drohen, verpassen den Bäumen auch einmal einen Kronenschnitt. Das muss sein, sagt Stephan Kirner, auch wenn man die Natur hier lieber sich selbst überlassen würde. Mehr Wildnis, das fände die LBV-Vorsitzende schön: "In München wird ja jeder Zentimeter öffentliches Grün kultiviert, gemäht. Da ist mancher Schrebergarten wilder."

Frischluft- und Grünschneisen wie diese "bräuchte es viel mehr in dieser stark besiedelten, stark versiegelten Stadt", betont Frey-Mann; sie tun nicht nur Fledermäusen und Singvögeln, sondern auch dem Menschen in der Großstadt wohl. "Bereicherung und Auflockerung des Stadtbildes" ist sogar in der Schutzverordnung als weiteres Ziel aufgeführt. Man muss also nicht Experte für Natur und Naturschutz sein, um diese lauschige Schneise zu schätzen. Radfahrer nutzen sie, manchmal arg rasant, als autofreie West-Ost-Verbindung, Spaziergänger verweilen auf einem der vielen Bankerl, Hunde nehmen ein Bad im kniehohen Wasser. "Als Kinder haben wir hier auch noch gebadet", merkt ein Passant, Mitte Dreißig etwa, an. "Heute aber ist mir zu viel Vogelkot aus dem Schlosspark im Wasser."

Am Montag geht es um den "Klettergarten" im Gleißental bei Oberhaching.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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