Finanzen:Außer Rand und Band

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Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) zeigte sich über die FDP entsetzt: "Das ist ein absolut seriöser Haushalt." (Foto: Bardehle)

Vor der Verabschiedung des Kreisetats legt die Debatte über notwendige Ausgaben an Schärfe zu. Zwei Liberale beklagen die Belastung für die Kommunen und legen sich mit allen anderen Fraktionen an

Von Stefan Galler, Landkreis

Kämmerer Markus Kasper hatte seinen Vorschlag in der jüngsten Sitzung des Kreisausschusses (der gemeinsam mit dem Finanzausschuss tagte) ausführlich dargestellt: eine geringere Erhöhung der Kreisumlage im Vergleich zum vorherigen Haushaltsentwurf von 42,0 auf 44,9 Prozentpunkte, eine Kreditermächtigung für den Landkreis von maximal 80,47 Millionen Euro und einen Verwaltungshaushalt, der 584,23 Millionen Euro umfasst - so soll sich der Landkreis im Jahr 2016 vor dem Hintergrund, dass weiterhin zahlreiche Flüchtlinge in die 29 Städte und Gemeinden kommen, finanziell präsentieren.

Was die neu zu schaffenden Jobs angeht, nahmen es die Kreisräte sehr genau: Im Bereich "Allgemeine Stellen" werden acht geschaffen, zunächst hatte die Verwaltung 36 vorgeschlagen. Dazu kommen 84 Stellen, die mit dem Asylthema in Verbindung stehen (Vorschlag Verwaltung: 143) und zehn für das Jobcenter (Vorschlag: 60).

Der Landrat wollte nicht für alle potenziellen Kosten, die auf den Kreis zukommen, sofort von den Kommunen Geld einfordern. Für diesen Weg hatte die CSU-Fraktion dem Landrat ihre Gefolgschaft rasch versichert. Die Freien Wähler und die SPD haderten zwar mit der noch immer latenten Gefahr eines Nachtragshaushaltes, waren aber keineswegs auf Krawall gebürstet. Und die Grünen machten einerseits klar, dass sie das Flüchtlingsthema als dominierend für den Etat des Landkreises im kommenden Jahr zwar akzeptieren, aber andere Dinge wie der Umweltschutz keinesfalls hinten runterfallen dürften. Christoph Göbel dürfte angesichts des Verlaufes der Debatte kaum daran gedacht haben, dass noch ein Wortbeitrag kommen würde, der den adventlichen Frieden im Gremium doch arg ins Wanken bringen sollte.

Dieser blieb schließlich dem FDP-Kreisrat Jörg Scholler vorbehalten. Der Gräfelfinger schwang sich zum Anwalt der Kommunen auf und ging zum Frontalangriff auf Landrat und Verwaltung über: "Wir müssen verantwortlich umgehen mit dem Geld der Gemeinden. Wir nehmen ihnen über die Umlage nicht nur immer mehr Geld weg, sondern fordern sie auch noch auf, die Flüchtlingskrise mit freiwilligen Helfern selbst zu meistern", polterte der Liberale. Überhaupt sei er als "ehrenamtlicher Kreisrat" gar nicht in der Lage zu entscheiden, ob die eine oder andere Stelle im Personalhaushalt notwendig sei: "Wir können doch keine neuen Stellen schaffen, bevor wir die Auslastung der Menschen im Landratsamt kennen", so Scholler. Er prangerte die aus seiner Sicht unnötigen Ausgaben wie Landkreispass und Ehrenamtskarte an und kam zu dem Schluss: "Angesicht von 220 Millionen Euro, die bis 2019 prognostiziert sind, muss ich sagen: Der Haushalt gerät außer Rand und Band."

Es folgte eine ganze Reihe harscher Antworten auf die Einlassungen Schollers. Als Erster ließ gar der Landrat selbst jene Zurückhaltung fallen, die er zumeist in persönlichen Auseinandersetzungen an den Tag legt: "Diese Diskussion tut nicht gut", schimpfte er. Die Bewältigung der Belastungen, die durch Flüchtlinge auf den Landkreis zukommen, sei "eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung". Man könne sich glücklich schätzen, so viele ehrenamtlich engagierte Bürger zu haben, die Wert auf die persönliche Begegnung mit den fremden Menschen legten, sagte Göbel: "Herr Scholler, das war eher ein Fauxpas als ein wertvoller Beitrag zur Haushaltsdiskussion."

Die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche (SPD) blies ins gleiche Horn: "Außer Rand und Band sind Sie, Herr Scholler!", rief sie. "Das ist ein absolut seriöser Haushalt. Ich bin sehr entsetzt." Christoph Nadler, Grünen-Fraktionschef, warf dem Liberalen vor, "Vorurteile in der Öffentlichkeit" zu schüren.

Schollers Fraktionskollege Tobias Thalhammer sprang dem Würmtaler zur Seite: "Wir sprechen von einem verantwortungsbewussten Haushalt, aber wir müssen nicht nur gegenüber Asylbewerbern, sondern auch gegenüber kommenden Generationen verantwortungsbewusst sein", sagte der FDP-Politiker. Die Liberalen seien der Meinung, man müsse sparen, wo immer es möglich sei und dürfe die zusätzliche Belastung nicht auf die Gemeinden abwälzen, die diese dann wiederum via Steuererhöhungen an Bürger und Unternehmer weiterleiteten.

Bei CSU-Fraktionschef Stefan Schelle, der ohnehin gerne mit Thalhammer in den Infight geht, fand er mit dieser Argumentation kein Gehör: "Unsere Neuverschuldung fließt in überwiegendem Maße in Schulen und Bildungseinrichtungen - und ist damit für die nachfolgenden Generationen vorgesehen", sagte der Oberhachinger Bürgermeister. Sollte darüber hinaus die Integration der Flüchtlinge nicht klappen und eine Getto-Struktur entstehen, "dann haben wir total versagt", so Schelle, der sich direkt an die FDP-Kollegen wandte: "Ihre populistische Klientelpolitik verstehe ich, aber bitte sparen Sie sich doch den Vorwurf, wir würden hier larifarimäßig etwas entscheiden."

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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