Farbexperimente:Verwaschene Blautöne und Bilder in Infrarot

Lesezeit: 3 min

Das Unterschleißheimer Künstlerquartett "Foku'sh" präsentiert sich erstmals im Bürgerhaus - inklusive Gastaussteller

Von Sophie Kobel, Unterschleißheim

Versuchte man in der vergangenen Woche, Alfons Neubauer für eine Führung durch seine Ausstellung zu erreichen, tat man sich schwer. Er war auf einer Malreise in Kroatien. Die Mission? "Den ganzen Tag malen, zeichnen und essen", erzählt der Restaurateur. "Das Südliche hat einfach mehr Inspirationsquellen." Vor der Abreise hatte er noch einen wichtigen Termin im Bürgerhaus Unterschleißheim. Dort sind bis Mitte Juni 61 Werke ausgestellt: von Aquarell über Acryl-Malerei und Tuschezeichnungen bis hin zur Bildhauerei und Infrarot-Fotografie ist alles dabei. Sie stammen von fünf Künstlern, Neubauer ist einer davon. Gemeinsam mit Šime Vlahov, Günter Mosetter und Tobias Sasse gründete er im Frühjahr 2017 die frei organisierte Künstlergruppe "Foku'sh". Im Vordergrund steht, wie auch das "u'sh" im Name betonen möchte, die Kulturszene ihres Heimatorts Unterschleißheim.

Neubauer arbeitet hauptberuflich als Restaurateur in der Glyptothek, er kennt die Kulturszene der Stadt gut. Und findet doch: "In München kommt kein Bürgermeister mal eben zu Eröffnungen. In Unterschleißheim ist die Wahrnehmung vor Ort viel direkter, die Wege sind kürzer. Dieses Umfeld ist es wert, sich dort zu engagieren". Seine Exponate sind vor allem Monotypien, bei diesem Verfahren trägt er Ölfarben auf eine Kupferplatte auf, diese wird anschließend mit Hilfe einer Presse auf Papier gedruckt. Auf einem seiner Werke erahnt man die Konturen einer schwarz-rot-weiß gesprenkelten Landschaft: "Abendhimmel bei Riedmoos". An der Stellwand daneben stellen verwaschene Blau- und Grüntöne ein Wolkenspiel im Moorgebiet dar. Geht man durch das Foyer des Bürgerhauses, erkennt man schon bald Neubauers Werke an den klaren Formen und Farben wieder. Über seine Kunst sagt der 62-Jährige: "Es ist das Spiel mit der Wirklichkeit, das ich so liebe."

In Šime Vlahovs Bildern geht es bunt und wild zu, der gebürtige Kroate liebt Farbexperimente. (Foto: Florian Peljak)

Bunter und wilder geht es ein paar Meter weiter bei Šime Vlahovs Malereien zu. Der in Kroatien geborene Künstler hat 20 Jahre lang in Unterschleißheim gelebt und gibt dort immer noch regelmäßig Kurse für Aquarellmalerei. "Šime liebt Farbexperimente mit Acryl- und Aquarellschichten. Man merkt an der Malerei, dass jemand aus dem Süden stammt. Wir Nordlichter sind da anders geprägt und verwenden eher ruhige Farben", erzählt Neubauer schmunzelnd.

Günter Mosetters Arbeiten sind eher von dunklerem Charakteristik. Der pensionierte IT-Experte ist das älteste Mitglied von Foku'sh. "Seine Werke haben ein ganz anderes Temperament, das erkennt man sofort. Bei ihm steht nicht die Farbe im Vordergrund, sondern die Zeichnung", so Neubauer. Mosetters Bilder sind eher klein gehalten, viele davon hat er mit Tusche gezeichnet. Sie haben abstrakte Züge, stellen Fische, Vögel, Menschen oder Skelette dar.

Der Astrophysiker Christian Obermeier hingegen will mit Infrarot-Fotografie die Welt auf eine andere Weise erfahrbar machen. (Foto: Florian Peljak)

Wie offen die Künstlerinitiative "Foku'sh" ist, zeigt sich daran, dass ein Musiker Teil der kreativen Gruppe ist. Spontan sprach Neubauer den ebenfalls in Unterschleißheim lebenden Tobias Sasse auf einem Neujahrsempfang an. Mit seinen 32 Jahren ist der geborene Wilhelmshavener deutlich jünger als die anderen. Das störe aber niemanden, vor allem Neubauer freut sich, "mehrere Generationen verbinden zu können". Auf einem Tisch, neben der bauen Gips-Skulptur eines Baumstammes, liegt der Text von Sasses "Unterschleißheim-Song". Er wurde bei der Eröffnung abgespielt, der Komponist hatte 24 Strophen über seine Wahlheimat geschrieben und gesungen. "Ich wollte, dass für alle etwas dabei ist. Jeder konnte sich seine Lieblings-Strophen raussuchen und sich seinen eigenen Unterschleißheim-Song auf einem USB-Stick zusammenstellen und mit nach Hause nehmen", erzählt Sasse.

Fotografien sind im Bürgerhaus ebenfalls zu sehen. Vor der Wand steht ein junger Mann mit zerzausten braunen Haaren und betrachtet die strahlende Infrarot-Aufnahme einiger Berggipfel im Morgengrauen. Er selbst hat dieses Foto geschossen, Christian Obermeier ist der Gastaussteller. Seit drei Jahren lebt der Astrophysiker in Unterschleißheim und fühlt sich wohl: "Ich habe bereits an vielen Orten gewohnt, hier nimmt man es wirklich ernst mit der Kultur." Auch in seinen Arbeiten spiegeln sich der Ort und die Umgebung wider. Die Unterschleißheimer Heide ist eines seiner liebsten Motive. Die experimentelle Fotografie ist Obermeiers Passion, die Zusammenarbeit mit plastischen Künstlern eine völlig neue Erfahrung für ihn. Eine schöne? Obermeier nickt lächelnd: "Fotografen fragen immer gleich nach der Technik. Die Maler sind mir viel lieber, hier steht die Kunst im Vordergrund. Es ist ihnen egal, wie viel eine Kamera gekostet hat, solange das Bild sie begeistert".

Die Künstlerinitiative "Foku'sh" stellt noch bis 17. Juni im Bürgerhaus Unterschleißheim aus.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: