Energievision:Nachhaltigkeit? Nein, danke

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Kommunale Projekte wie die Nutzung der Erdwärme in Unterhaching reichen nicht aus, um die Energievision umzusetzen. (Foto: Claus Schunk)

Vor zehn Jahren hat sich der Landkreis vorgenommen, den Energieverbrauch bis 2050 um 60 Prozent zu senken. Tatsächlich ist er seither gestiegen. Das liegt am anhaltenden Boom, aber auch an Desinteresse von Unternehmen

Von Alexandra Vettori

Es erinnert an die endlose Arbeit des Sisyphos, wie der Landkreis München sich mit der Energiewende abmüht. Denn der Verbrauch steigt und steigt, innerhalb von fünf Jahren um 25 Prozent - und der Anteil von Sonne, Wind, Biomasse und Wasser liegt weit unter dem Landesdurchschnitt: Beim Strom, den die knapp 330 000 Landkreisbewohner und die 196 000 dort Beschäftigten verbrauchen, sind es gerade mal elf Prozent, die aus erneuerbaren Quellen stammen. Bayernweit kommt man auf 34,6 Prozent.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass es nichts wird mit der Energievision, die der Kreistag vor zehn Jahren verabschiedet hat. 60 Prozent des Energieverbrauchs sollten bis 2050 eingespart werden, die restlichen 40 Prozent nur noch aus regenerativen Quellen stammen. Davon kann derzeit aber keine Rede sein. Im Landratsamt denkt man deshalb bereits über eine neue Vision nach, die diesmal auf einer realistischeren Grundlage fußen soll. Man müsse dabei, betont Franz Reicherzer, Energiebeauftragter im Landratsamt, auch genauer herausarbeiten, welche Möglichkeiten der Landkreis selbst zur Umsetzung und Förderung der Energievision habe. "Denn 98 Prozent aller energetischen Entscheidungen im Landkreis treffen Kommunen, Privatleute und Firmen, nicht das Landratsamt", sagt Reicherzer.

Im Energieatlas Bayern rangiert der Landkreis München ziemlich weit hinten, was den Einsatz regenerativen Energien beim Stromverbrauch anbelangt, der Mix liest sich übersichtlich: Null Prozent Wind, drei Prozent Biomasse (56 Megawattstunden pro Jahr), zwei Prozent Photovoltaik auf Dächern (50,4 Megawattstunden) und 0,26 Prozent auf Freiflächen, sechs Prozent Wasserkraft (136 090 Megawattstunden). Insgesamt produzieren die regenerativen Träger 257 000 Kilowattstunden Strom, verbraucht werden aber 2,26 Millionen im Jahr.

Dass ausgerechnet die Hochtechnologie-Region rund um München, mit all ihren Lehrstühlen und innovativen Firmen und Kommunen bei der Energiewende so abschmiert, liegt am Dauerboom. Die Zahl der Einwohner und damit Energieverbraucher steigt so kontinuierlich wie die Produktivität der ansässigen Unternehmen. Mehr Produktivität aber heißt in der Regel mehr Energieverbrauch.

Positive Ausnahmen wie die Firma Develey, die 2014 den Energiepreis des Landkreises für ihr Energiespar- und Klimaschutzkonzept am Standort Unterhaching erhielt, ändern wenig an der Regel. Gleichzeitig ist der Landkreis dicht besiedelt, für Energieerzeugung ist wenig Platz. Das Fähnlein hoch halten die Kommunen, die, wo immer möglich, Geothermieprojekte realisieren und Photovoltaikanlagen auf die Dächer neuer Schulen und Kindergärten setzen. Erst jüngst signalisierte Landrat Göbel (CSU) Interesse an einem Einstieg in die kommunale Arbeitsgemeinschaft Windallianz.

Es bleibt also noch viel zu tun, vor allem bei den Firmen und Betrieben im Landkreis. Gut 50 Prozent des in Bayern verbrauchten Stromes entfällt auf den industriellen Sektor, Handel und Gewerbe. Der private Bereich ist mit einem knappen Viertel dabei. Bis jetzt jedoch halten sich bei den Unternehmen Interesse und Engagement in Sachen Energiewende in Grenzen, sogar bei der günstigsten aller Maßnahmen: dem Energiesparen. Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern zum Beispiel bietet schon seit Jahren Energieberatungen für Firmen und Betriebe an. Von 2009 bis 2014 zählte man 700 Teilnehmer - von mehr als 380 000 Mitgliedsfirmen.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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