Ende des Garchinger Festjahrs:Unsterblicher Gowirich

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Mit der Rasur der drei Darsteller des Garchinger Namensgebers endet in der Stadt das Festjahr zum 1100-jährigen Bestehen. Josef Euringer, Walter Fölsner und Wiland Geisel erzählen von amüsanten Erlebnissen als Häuptlinge aus dem Mittelalter

Von Gudrun Passarge, Garching

Der Bart ist ab, lang lebe Gowirich. Die drei Männer, die ein Jahr lang die Geschichte Garchings lebendig werden ließen, haben Haare gelassen. Kaum hatte das Blasorchester Garching am Freitagabend beim Weihnachtsmarkt die letzten Töne von "In dulci Jubilo" gespielt, schon setzten die Friseurinnen die Messer an und schritten zur Tat. Es war ein symbolischer Akt, ein Abschied nicht nur vom Bart, sondern auch von der Rolle des Garchinger Namensgebers, der irgendwann in der Zeit um 915 herum gelebt haben muss. "Das war eine schöne Pointe zum Abschluss des Jahres, aber wir bleiben in Garching die Gowirichs", kommentierte Josef Euringer.

Da hatten sie lange überlegt in Garching. Das Festkomitee hatte zunächst geplant, für die 1100-Jahrfeier einen Schauspieler für die Rolle des Gowirichs zu engagieren. Aber dann suchten sie doch in Garching und fanden außer dem jetzigen Stadtrat Euringer noch Walter Fölsner, übrigens der einzige gebürtige Garchinger, und Wiland Geisel, den Sohn des früheren Ortschronisten Odward Geisel. "Garchinger zu nehmen war die beste Idee", sagte Geisel, "so war es viel authentischer. Und wir haben es im Ehrenamt gemacht."

Und das ein ganzes Jahr lang. Die Kostümbildnerin Veronika Schrallhammer hat sie eingekleidet, wie es sich für Stammeshäuptlinge gehört, sie trugen Schnüre um die Hosenbeine an den Waden und hatten einen ziegelroten Umhang und einen spitz zulaufenden Hut. Vielleicht deswegen hielt manches Kind die drei anfangs für Nikolause. Auch mancher Erwachsene wusste nicht gleich etwas mit der Gestalt anzufangen. Walter Fölsner erzählte amüsiert, wie er im offiziellen Auftrag der Stadt als Gowirich eine Modenschau besuchte. "Ein Mann wollte wissen, wer ich denn bin. Ich bin der Häuptling von Garching, habe ich ihm geantwortet. Da hat er mir gute Besserung gewünscht."

Die drei berichteten einhellig, wie sehr sich ihr Alltag in diesem Jahr verändert hat. Das Gewand verhalf ihnen, sich in die Zeit hineinzuversetzen und einen Edlen aus dem Mittelalter zu verkörpern. "Jeder hat gesagt, was das für ein sauberes Gewand ist", sagte Euringer. Geisel nickte, "ich habe mich damit identifizieren können". Den Hacklstecken noch dazu - und fast hatten sie etwas Majestätisches. Euringer bezeichnete diese Rolle als Lebenserfahrung. Geisel erinnerte sich an ein paar Jugendliche, die er traf. Sie wussten nichts mit Gowirich anzufangen, aber sie begannen, sich zu interessieren. "Wir sind dann richtig ins Gespräch gekommen."

So ging es den Gowirichs fast überall. Besonders aber im Kindergarten hatten sie ihre Freude. Fölsner zog am Freitagabend eine hübsch gestaltete Mappe mit vielen Bildern aus seiner Stofftasche. Die hat ihm eine Kindergartengruppe nach dem Besuch geschenkt. "Was die alles wissen wollten", sagte er, "welche Tiere sie früher gehabt haben, und ob die Kinder eigene Zimmer hatten". Natürlich waren die drei vorbereitet. Sie hatten sich schlau gemacht, gelesen, und sich am Anfang beim Gowirich-Stammtisch ausgetauscht. Schließlich hatten sie die unterschiedlichsten Termine. Es galt der Satz: Keine Feier ohne Gowirich. Höhepunkt war zweifelsohne der Festzug. Euringer mit Familie führte den Zug an, Geisel und Fölsner schlossen ihn ab.

Jetzt ist der Bart ab, und was passiert mit Gowirich? "Er lebe hoch", sagte Euringer, "er wird immer leben." In den Bildern, den Filmen von dem Jahr und außerdem: Die drei behalten das Gewand, sie können wieder hineinschlüpfen - in die Leinenkleider und in die Rolle des Häuptlings. "Sie haben uns ja sogar ein Denkmal gesetzt", sagte Fölsner. Er meinte die Skulptur am Rathausplatz. Viele Eisenstäbe sollen dort nicht nur den Bart, sondern auch Gowirichs Wirken in der Vergangenheit und seine Bedeutung für die Zukunft symbolisieren. Die drei Gowirichs aber haben im Moment keinen Bart mehr. Geisels Tochter Elfrun, 5, quittierte das mit einem kleinen Aufstand. "Mama, da steht ein Unbekannter neben dir", sagte sie und versteckte sich hinter einem Tisch. Walter Fölsner hat schon beschlossen, den Bart wieder wachsen zu lassen und Euringer fand, der Bart sei eine Lebenserfahrung gewesen. Doch ohne fühle er sich wohler. Was solls. Ein echter Gowirich ist mehr als der Bart.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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