Der Verein feiert sein 25-jähriges Bestehen:Süßes und Saures

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Die Unabhängigen Bürger haben in den vergangenen Jahren einiges verändert im politischen Leben der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Von Sabine Oberpriller, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Wer einmal in der Gemeinderatssitzung war, kennt die Bonbon-Dose. Sie ist groß, wie in alten Tante-Emma-Läden und wird herumgereicht, wenn die ersten Tagespunkte abgehakt, die ersten Diskussionen durchgefochten sind. Die Höhenkirchen-Siegertsbrunner Gemeinderäte nehmen sich dann ein Stück Schokolade heraus, und der Besucher wäre gern Teil dieses Süßigkeitenzirkels. So sehr die "Unabhängigen Bürger" in den vergangenen 25 Jahren dem einen oder anderen Parteipolitiker auf die Nerven gegangen sein mögen, manches Gute haben sie doch in den Gemeinderat getragen, und nicht nur diese Zuckerbüchse.

Die Unabhängigen Bürger sind stolz darauf, dass sie keine Partei sind, dass ihre Mitglieder nicht parteipolitisch gebunden sind und es keinen Fraktionszwang gibt. "Wir sind ein Verein", sagt Vorsitzender Ulrich Bug. Unabhängigkeit wird groß geschrieben in der Gruppierung, die drei Gemeinderäte stellt. Sein 25-jähriges Bestehen feiert der Verein gerade. Aber das erste Zusammentreffen, ihr erstes und zugleich größtes Erfolgserlebnis hatten die Unabhängigen Bürger schon früher, 1989. Da rief ein Informationsblatt des Rathauses Anwohner auf den Plan. Es sei um die Ausweisung eines neuen Gewerbe- und Wohngebietes gegangen, ohne jegliche Rücksicht auf den Charakter der Dörfer, sagen die alten Mitstreiter der Initiative.

Zu den Mitgliedern der ersten Stunde gehört Ingrid Sepp, heute ist sie 75 Jahre alt. Aus dem Leonhardi Ensemble heraus, einer kirchlichen Musikgruppe, der sie angehört, entwickelte sich abends nach einem Konzert die Initiative. Damals bewegte Sepp hauptsächlich der Gedanke: "Wenn mich später meine Söhne fragen, ,Warum ist das so?', will ich ihnen in die Augen schauen können", sagt sie. Also half sie, ein Bürgerbegehren zu organisieren. Das notwendige Informationsblatt trugen sie und ihre Mitstreiter persönlich zu jedem Haus: "Hier haben Sie die Infos. In drei Tagen kommen wir wieder", erzählt Ingrid Sepp. "Und so haben wir es gehalten."

Der Plan sollte aufgehen. Die Resonanz unter den Anwohnern war gewaltig, in kurzer Zeit war das Vorhaben des Bürgermeisters abgewendet. Er bezeichne die Informationsveranstaltung, bei der das klar wurde, als sein persönliches Waterloo, wissen Zeitgenossen zu berichten.

Heute ist die Gruppe "die fünfte Fraktion", wie Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) sie nennt, und fester Spieler im Gemeindegefüge. Anfang der Neunziger aber brachte sie erst einmal Bewegung ins verkrustete Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Einer, der davon profitiert hat, ist Mayers Vorgänger Rudolf Mailer (SPD). Denn als der Verein in den Gemeinderat einzog, verteilten sich Stimmen und Kräfte neu. Plötzlich waren fruchtbare Gespräche zwischen den Gemeinderäten möglich, die Mailer als spannende Diskussionen in Erinnerung hat. "Bürger wollen Diskussionen auf sachlicher Ebene, keine Hahnenkämpfe", sagt Ingrid Sepp. "Wie wollen nicht nur nein sagen, wir schlagen immer Alternativen vor." Und das tun sie: Bei der Umgehungsstraße, dem Gewerbegebiet, dem Windradbau und bei Handymasten. Bequem ist das nicht immer. Ihre Querdenkerei sorge zuweilen dafür, dass nichts vorwärts geht, wird ihnen gelegentlich vorgehalten, genauso wie der Vorwurf, sie seien Gewerbe-Verhinderer. Die Unabhängigen nehmen es gelassen. So sehen es auch andere Gemeinderäte: "Ich habe sie immer freundlich und für Gespräche offen erlebt", sagt Luitgard Dittmann-Chylla (Grüne).

Regelmäßig findet ein Stammtisch statt, um Neuigkeiten zu diskutieren und den Gemeinderäten bei der Meinungsbildung zu helfen. Etwa 30 Mitglieder sind immer dabei. Die Motive sind unterschiedlich. "Für mich war klar, dass ich mich irgendwann irgendwie engagieren werde", sagt Ulrich Bug. Dann sei er in die Gemeinde gezogen und habe das Logo der Unabhängigen Bürger entdeckt: UB, genau wie seine Initialen. Sabine Theiler ist angestellt bei der Regierung von Oberbayern und eines der jüngsten Mitglieder. "Ich finde, man muss sich für den Ort, an dem man lebt, interessieren", sagt die zweifache Mutter. Das ist es, was die etwas widerspenstigen Anwohner von 1989, ihre Nachfolger und die Vertreter der Parteien verbindet. Und deswegen kamen zum Jubiläumsfest auch die Vertreter der Konkurrenz.

Die Bonbon-Büchse war übrigens kein Bestechungsversuch. Gestiftet hat sie einer der ersten Gemeinderäte der Unabhängigen Bürger, als er aus Höhenkirchen wegziehen musste.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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