Corona-Maßnahmen an Schulen:Mit dem Virus grassiert auch die Wut

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Landrat und Bürgermeister erhalten Post und Mails von vielen Eltern, die kein Verständnis für die Maskenpflicht an Grundschulen haben. Gleichzeitig steigt die Zahl der Klassen, die in Quarantäne müssen deutlich

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Die Situation droht zu eskalieren - in Zahlen und in den Köpfen. Während die Ansteckungen mit dem Coronavirus im Landkreis immer stärker zunehmen, wächst zugleich der Ärger über die Maskenpflicht an Grundschulen. Am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) für den Landkreis München mit 116,1 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern einen neuen Rekordwert bei der wichtigen Sieben-Tage-Inzidenz; damit liegt der Landkreis erstmals sogar knapp über dem Wert der Landeshauptstadt (114,4) und - abgesehen vom Kreis Fürstenfeldbruck - weit über den Werten der anderen Landkreise in der Region. Parallel dazu drücken Eltern in Briefen und E-Mails an Landrat Christoph Göbel (CSU) und Bürgermeister ihr Unverständnis und ihre Wut über die Regel aus, wonach auch Grundschüler seit Freitag eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen haben. Während München wie auch die Nachbarlandkreise Ebersberg und Erding die von der Staatsregierung angeordnete Maskenpflicht aufgehoben haben, hält Göbel an ihr fest.

"Es ist ein ungeheurer Druck, der hier auf die Rathäuser ausgeübt wird", sagt Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD). Seit Tagen erreichten ihn E-Mails, in denen er aufgefordert werde, die Maskenpflicht aufzuheben. Die Argumentation sei stets dieselbe: Die Regelung sei für Grundschulkinder vollkommen wirkungslos und den Kindern drohten teilweise schwerwiegende gesundheitliche Schäden. "Viele dieser Schreiben sind inhaltsgleich, es sieht nach copy and paste aus", schildert Greulich. "Ich kann nicht zuordnen, wer sie geschrieben hat oder ob die Person überhaupt aus Ismaning kommt." Sogenannte Trolle vermutet der Rathauschef hinter manchen Verfassern von Mails, die offenbar nur zum Ziel hätten, Druck auf Kommunalpolitiker auszuüben oder gar einzuschüchtern. "Nur eine Schreiberin kannte ich namentlich, die hat mich mit voller Adresse angeschrieben", sagt Greulich. Seine Verwaltung bereitet Antwortschreiben vor, in denen darauf hingewiesen werden soll, dass die Kommunen schlicht nicht zuständig sind.

So schildert es auch Garchings Bürgermeister: "Die Stadt Garching betreibt kein eigenes Gesundheitsamt, auf dessen Erkenntnisse sie sich berufen könnte", sieht sich Dietmar Gruchmann (SPD) zur Klarstellung gezwungen. Das zuständige Gesundheitsamt sei dem Landratsamt München angegliedert, der Landkreis folge den Maßnahmen des bayerischen Gesundheitsministeriums, welche wiederum die 29 Kommunen zu befolgen hätten. "Selbst wenn die Stadt Garching anders handeln wollte, hat sie als kreisangehörige Stadt den Weisungen des Landkreises München Folge zu leisten", erklärt Gruchmann.

Am Dienstag saß Greulich mit weiteren oberbayerischen Bürgermeistern in einer Videoschalte des Bayerischen Städtetags mit der Regierung von Oberbayern zusammen. In dieser Konferenz hätten mehrere Rathauschefs ihren Unmut darüber Luft gemacht, dass es seitens der Regierung keine einheitliche Linie bei der Maskenpflicht für Grundschüler gebe, berichtet Greulich. Es falle zunehmend schwer, den Menschen zu erklären, warum diese Pflicht etwa im Landkreis München gelte, nicht aber in der Stadt und im Landkreis Ebersberg, bestätigt Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne). "Es macht die Sache nicht einfacher, dass München und Ebersberg ausscheren. Wir müssen argumentieren können", sagt sie.

Verstärkt wird der Ärger durch den Hinweis von Regierungspräsidentin Maria Els (CSU), wonach etwa die Hälfte der oberbayerischen Landkreise überlege, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufzuheben, wie ein Sprecher des Städtetags bestätigt. Göbel hatte bereits vergangene Woche die "fehlende einheitliche Linie" beklagt und von "Anarchie" gesprochen, die Zurückhaltung der Regierung, die zu den Entscheidungen in München und Ebersberg schwieg, bezeichnete der Landrat als "Schande".

Auch auf seinem Schreibtisch und in seinem Posteingang landeten unzählige Schreiben, in denen sich Menschen über die Maskenpflicht empörten, sagt Göbel. Bei den Absendern handle es sich sowohl um besorgte Eltern wie auch anonyme Verfasser. Er habe sich über das Wochenende bemüht, alle E-Mails abzuarbeiten. Dabei habe er gemerkt, dass bei vielen aus anfänglicher Empörung auch Verständnis erwachsen sei. Am Montag und Dienstag verteilten die Grundschulen ein vierseitiges Schreiben des Landrats an die Eltern, in dem er seine Entscheidung begründet.

Unterdessen wächst die Zahl der Schulen, in denen es Corona-Fälle gibt und in denen teilweise ganze Klassen in Quarantäne müssen: Am Dienstag waren es im Landkreis 22 Einrichtungen. Insbesondere bei den Grundschulen kommen täglich neue Klassen hinzu. So haben nun auch Kinder aus der Grundschule Hochbrück, der Grundschule an der Jahnstraße in Unterhaching sowie in Neuried, Hohenbrunn und Feldkirchen die letzten Tage bis zu den Herbstferien Homeschooling und müssen teilweise die kompletten Ferien in häuslicher Quarantäne verbringen. Insgesamt sind seit Dienstag zehn Grundschulen betroffen - doppelt so viele wie am Montag. Eine für Dienstagnachmittag vor dem Haarer Rathaus angekündigte Demonstration gegen die Maskenpflicht an Grundschulen fand nicht statt.

© SZ vom 28.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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