Bankräuber vor Gericht:"Ich wollte auch eine Villa am See"

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Er wollte es in der Finanzbranche ganz nach oben schaffen - und scheiterte. In seiner Not hat ein Deutsch-Afghane drei Banken überfallen. Jetzt steht er vor Gericht.

Christian Rost

In Afghanistan wurde er zur Zeit des Bürgerkriegs in eine grausame Welt hinein geboren. Als Flüchtlingskind im reichen Starnberg angekommen, gingen ihm die Augen über. "Ich wollte auch eine Villa am See und einen Porsche haben", sagt der heute 21-jährige Sekria R.

Um dieses Ziel zu erreichen, wählte der Deutsch-Afghane aber den völlig falschen Weg. Im Frühjahr dieses Jahres überfiel er drei Münchner Banken und erbeutete 41.500 Euro. Das Glück mit dem Geld währte aber nur kurz. Nach einer abenteuerlichen Flucht über London nach Kabul und zurück nach Deutschland holten ihn Spezialkräfte der Polizei in der elterlichen Wohnung in Starnberg ab. Seit Donnerstag muss sich Sekria R. vor der siebten Strafkammer am Landgericht München wegen schwerer räuberischer Erpressung verantworten.

Schreckliche Dinge habe er in seinem Geburtsland gesehen, berichtet er. So stand er daneben, als eine Rakete seiner Großtante den halben Kopf wegriss. Als das traumatisierte Kind sechs Jahre alt war, flüchtete seine Familie über Pakistan, Iran, Russland ins wohlhabende Bayern.

In Starnberg fand sein Vater einen Job als Spüler. Die siebenköpfige Familie zog in eine Zwei-Zimmer-Sozialwohnung. Draußen auf der Straße fuhren die Sportwagen vorbei. "Ich wollte es auch schaffen", erzählt der junge Mann der Vorsitzenden Richterin Renate Baßler unter Tränen. Und er strengte sich auch an: Von der Sonderschule schaffte er es auf eine Wirtschaftsschule. Um den Druck zu mildern, der bei Prüfungen entstand, den er aber auch wegen seiner unverarbeiteten Vergangenheit spürte, nahm er schon in der Schule heimlich Beruhigungstabletten und trank.

Gangsterfilme als Vorbild

Die Gewohnheit wurde zur Sucht, und als er eine Ausbildung zum Steuerfachgehilfen antrat, weil er Wirtschaftsprüfer "oder auch Fondsmanager in den USA" werden wollte, fiel er aus der Rolle. Er flog aus der Kanzlei und trank seinen Kummer weiter herunter - zuletzt mit einer Flasche Wodka am Tag. Freunde hatte er keine, auch eine Beziehung ergab sich nicht. Die Tage verbrachte er mit Gangsterfilmen aus dem Internet.

Diese Filme brachten ihn auf die Idee mit den Überfällen, die er ohne Umschweife gestand. Am 20. Februar marschierte er mit einer Spielzeugpistole in die Filiale der Deutschen Bank am Marienplatz - und musste ohne Beute flüchten, weil eine Angestellte laut wurde.

Am 9. März erbeutete er in der Sparda-Bank am Hauptbahnhof 5000 Euro. Zwar kontrollierten Minuten später am S-Bahnsteig drei Polizisten seinen Ausweis, ließen ihn aber ziehen. Beim nächsten Raubzug bei der Targo-Bank am 1. April in der Prielmayerstraße kam er auf 36.500 Euro, weil er Restgeld aus einem Geldautomaten abgreifen konnte. Auf seiner anschließenden Flucht, die ihn zunächst nach London führte, verließ ihn dann das Glück: Ein Onkel nahm ihm 30.000 Euro aus der Beute ab. Den Rest gab R. für zwei Nächte in einem Fünf-Sterne-Hotel und sieben Callgirls aus, die er sich aufs Zimmer bestellte.

Bei der Verwandtschaft in Afghanistan hielt er es dann nur gut eine Woche aus. Er kehrte nach Starnberg zurück in der Hoffnung, dass er "mit einem blauen Auge davon kommen" würde. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 28.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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