Serie: "Zwischenprüfung":Mutter der Gemeinde

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Ihre steile Karriere überrascht: Barbara Angermaier. (Foto: Claus Schunk)

Für Barbara Angermaier geht es als Bürgermeisterin vor allem um das Miteinander

Von Konstantin Kaip, Baierbrunn

Den Blick zurück gönnt sich Barbara Angermaier eher selten. "Ich bin eine, die sieht, was noch vor mir liegt", sagt die 52-Jährige. Aktuell ist es das Baierbrunner Dorffest, das am 20. und 21. Juni erstmals am Sport-und Bürgerzentrum stattfindet - in einem Festzelt, das eigens dafür errichtet wird. Ein ganz schöner Aufwand, finanziell und organisatorisch, wie Angermaier festgestellt hat. Die Investition aber sei wichtig, ist sie überzeugt: "für das Miteinander im Ort". Es ist dieses Wir-Gefühl, das Angermaier als Bürgermeisterin stets betont. "Unsere Baierbrunner", sagt sie gerne. Wenn sie über ihre Gemeinde spricht, klingt sie fast zärtlich, wie eine Mutter. "Ich habe mir zum Ziel gesetzt", hat sie beim Neujahrsempfang erklärt, "dass wir miteinander eine liebenswerte Heimat hier in Baierbrunn und Buchenhain schaffen".

Wenn Angermaier dann aber doch ein bisschen nachdenkt über das vergangene Jahr, ihr erstes als Bürgermeisterin, stellt sie fest, dass sie in manchem, was sie sich vorgenommen hat, weitergekommen ist: "Es ist schön, dass man was auf den Weg gebracht hat." Etwa beim Waldorfkindergarten, für den eine Baugenehmigung vorliegt und der im Herbst fertiggestellt werden soll, oder beim Kunstrasenplatz für den Sportverein, der gerade geplant wird. Angermaier hat Einiges geschafft: Die Asylbewerber konnten bislang alle in Gemeinde- und Privatwohnungen untergebracht werden, und auf der Wiese vor der Grundschule stehen die Container für die Mittagsbetreuung - "das Erste, was ich auf den Weg gebracht habe", wie sie sagt. Im Herbst 2014 konnte die Gemeinde den Pachtvertrag über drei Jahre abschließen, nach einem für Angermaier quälend langen Genehmigungsverfahren. "Ich bin fast umgekippt, wie lange das gedauert hat", sagt sie, wenn sie sich an die Prüfungen von "Entwässerung, Brandschutz, Tod und Teufel" erinnert. "Das sind Dinge, die mich überraschen", sagt sie. "Das hatte ich vorher gar nicht so mitgekriegt."

Geduld, räumt Angermaier ein, gehört nicht unbedingt zu ihren Stärken. "Ich bin Entscheider, Gestalter", sagt die gelernte Innenarchitektin. "Manchmal geht es mir zu langsam." Noch wichtiger als schnelle Ergebnisse sind ihr aber Lösungen, hinter denen möglichst alle Bürger und Gemeinderäte stehen. Zum Beispiel bei der Frage nach dem Standort für die endgültige Erweiterung der Mittagsbetreuung in drei Jahren. "Das ist das Projekt, das mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet", gesteht Angermaier. "Weil ich da schon gern einen Konsens hätte." Immerhin konnte der nicht öffentliche Arbeitskreis, den sie gebildet hat, die Optionen auf drei Standorte reduzieren. Eine Einigung steht jedoch noch aus. "Ich versuche, zu versachlichen", sagt Angermaier, die ihre Rolle darin sieht, die Dinge "neutral darzustellen" und vorgefertigte Meinungen aufzubrechen. Davon erhofft sie sich eine einvernehmliche Entscheidung, "auch wenn ich aus meiner Mutterrolle weiß, dass das nicht immer möglich ist."

Vier Kinder hat die Bürgermeisterin großgezogen, die jüngste Tochter macht gerade Abitur. An die politische Karriere ihrer Mutter müssen sie sich noch gewöhnen. "Die Mama war 22 Jahre lang da, jetzt muss kochen, wer zu Hause ist", sagt Angermaier und lacht. Ihre politische Karriere ist auch für sie überraschend steil gelaufen. Erst vor drei Jahren ging sie für die Baierbrunner Interessengemeinschaft (BIG) in die Kommunalpolitik, im vergangenen Jahr wurde sie ohne Gegenkandidaten zur Bürgermeisterin gewählt. Inzwischen hat sich ihre Überraschung darüber zwar langsam gelegt. Nicht jedoch der "Riesenrespekt vor diesem Amt", wie Angermaier sagt. Schließlich gehe es um Steuergelder, die man "sinnvoll und sparsam einsetzen", andererseits aber auch investieren müsse, um die richtigen Entwicklungen anzustoßen. "Ich habe als Bürgermeisterin eine Gesamtverantwortung", weiß Angermaier. "Es ist etwas anderes, an der Spitze zu sein, als einer von 14." Als Gemeinderat, das hat sie im vergangenen Jahr gelernt, habe man immer nur einen Teilaspekt. Die eigentliche Arbeit aber finde zwischen den monatlichen Sitzungen statt. Als Bürgermeisterin musste die gelernte Innenarchitektin feststellen, wie hoch die Anforderungen an eine Kommune mittlerweile sind. Gemeinden seien heute "richtige Unternehmen", sagt sie. Zum Glück habe sie die Verwaltung an der Hand. "Das tut mir sehr gut." Was die Finanzen betrifft habe sie aber auch mit ihrem Mann, der in der Wirtschaft tätig ist, "einen sehr guten Sparring-Partner".

Angermaier weiß, wie wichtig der Rückhalt ist. Nicht nur zuhause, sondern auch im Gemeinderat, in dem fünf Fraktionen vertreten sind. Im Gremium hat Angermaier ein Klima des Miteinander geschaffen, ohne Diskussionen zu unterbinden. Dafür genießt sie Respekt. "Ich stehe für ein offenes, respektvolles Miteinander und freundlichen Umgang", sagt die Bürgermeisterin. Politik ist für sie aber auch Sache der Bürger, die sich mit ihrer Gemeinde identifizieren sollen. Deshalb hat Angermaier gleich zu Beginn ihrer Amtszeit die Anwohnerversammlungen eingeführt, die sie bislang in der Ziegelei, der Forststraße und dem Martlbauerfeld abgehalten hat. Zufrieden ist sie auch mit der Bürgerversammlung, die rege besucht war. Als Bürgermeisterin brauche sie den "Input, um gemeinsame Lösungen zu entwickeln", sagt sie.

Zu den Visionen, die Angermaier in Baierbrunn gerne verwirklicht haben will, gehören eine Kultur- und Mehrzweckhalle, die Wiederbelebung des Ortskerns und bessere Einkaufsmöglichkeiten in beiden Ortsteilen. Für eine sanfte Ortsentwicklung, wie sie ihr vorschwebt, möchte sie gerne auch ein Leitbild entwickeln - gemeinsam mit dem Gemeinderat und den Bürgern und unter Anleitung von Experten. Das aber wird noch eine Weile dauern. Zunächst gilt es, die angestoßenen Projekte weiterzuführen. Dazu gehört auch der Ausbau der Straße Am Sportpark, im Zuge dessen der Gemeinderat kürzlich beschlossen hat, einen Kreisverkehr an der B 11 zu errichten. "Da sind wir dran", sagt Angermaier. Dass sich das Ganze damit verzögert, müsse die Gemeinde in Kauf nehmen. Dafür bekomme man ein "zukunftsträchtige Verkehrskonzept". Auch das gehört zu ihrem Credo: nichts übers Knie zu brechen. "Ich sag immer: Liaba mach mas gscheid."

Barbara Angermaier ist eine im besten Sinne mütterliche Bürgermeisterin. Deutlich wird das auch, wenn man sie nach den schönsten Momenten in ihrer Amtszeit fragt. Dann spricht sie vom Kontakt mit den Menschen auf der Straße und von "bereichernden Besuchen" bei ortsansässigen Unternehmen, wie kürzlich bei Drom Fragrances, einem Zulieferer für Duftstoffe in der Kosmetikindustrie. "Dass Baierbrunn so international mitmischt, macht mich schon stolz", sagt Angermaier. Das gelte natürlich auch für den Wort & Bild-Verlag mit seinem kulturellen Programm und dem einzigartigen Skulpturengarten. Vor allem aber ist sie stolz auf die Baierbrunner: Gerne erzählt Angermaier, wie ihr Feuerwehrmänner davon berichtet haben, dass bei Aufräumarbeiten nach dem Sturm Niklas auf der B 11 die Bürger aus ihren Autos gestiegen sind und mitgeholfen haben. "Solche Rückmeldungen machen mich wahnsinnig stolz", erklärt Angermaier.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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