Alkohol und Drogen im Verkehr:Im Rausch der Technik

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Ein Sicherheitstraining an der Bundeswehruniversität soll junge Leute für die Gefahren von Alkohol, Drogen und Handys am Steuer sensibilisieren. Spezielle Brillen und vibrierende Bandagen simulieren die Ausfallerscheinungen

Von Daniela Bode, Neubiberg

Die Arme und Beine fühlen sich schwer an, die Hände zittern. Doppelbilder entstehen vor den Augen, begleitet von Geräuschen. Weder Motorik noch Gleichgewichtssinn gehorchen. Der Gang entlang einer Linie gelingt nur mit äußerster Konzentration, schnell kann ein Tritt daneben gehen. In diesem Zustand sollte sich niemand hinter das Steuer eines Autos setzen.

Diese Schlussfolgerung werden wohl die meisten Teilnehmer des Fahrer-Sicherheitstrainings der Firma Ford und der Bundeswehruniversität auf dem Testgelände der Hochschule in Neubiberg ziehen, die den so genannten Drug Driving Suit getestet haben.

Voll daneben: Mit der 1,3-Promille-Brille ist es beim Torwandschießen schwer, den Ball zu treffen. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Anzug aus mehreren Teilen simuliert Effekte, die durch den Konsum von Drogen wie Cannabis oder Ecstasy hervorgerufen werden. Eine Brille mit blinkenden Lichtern und besonderen Gläsern verzerrt die Wahrnehmung. Aus einem Kopfhörer ertönen Geräusche. Eine Bandage am Handgelenk vibriert und simuliert so das Zittern, wie es durch einige Drogen hervorgerufen wird. Bandagen mit Gewichten lassen die Glieder schwer werden.

Das Sicherheitstraining unter dem Motto "Vorfahrt für deine Zukunft" richtete sich an Autofahrer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. In Deutschland - ein weiteres Training wird in Köln stattfinden - haben sich 600 junge Menschen angemeldet. Außer zu simulieren, wie stark einen der Konsum von Drogen beeinträchtigt, konnten sich die jungen Fahrer an mehreren Stationen für die Gefahren im Straßenverkehr sensibilisieren. Juniorprofessorin Verena Nitsch vom Institut für Arbeitswissenschaft an der Bundeswehruniversität und ihr Team begleiten das Training wissenschaftlich und untersuchen das Unfallrisiko junger unerfahrener Autofahrer.

Wer SMS liest, kann sich nicht aufs Fahren konzentrieren. (Foto: Angelika Bardehle)

An einer Station geht es um das Thema Ablenkung. Die Teilnehmer können über einen eng gesteckten Parkour fahren, während ein Trainer sie mit der Aufforderung, einmal kurz die SMS auf dem gezeigten Spielzeughandy anzusehen, oder mit einer kleinen Konzentrationsaufgabe ablenkt. An einem anderen Haltepunkt können die jungen Leute die Wirkung von Fahrerassistenzsystemen erleben. Beim sogenannten "Active City Stop" leitet das System selbständig die Bremsung ein, wenn man etwa im Stau steht, dem vorderen Auto immer näher kommt und nicht schneller als 28 Kilometer in der Stunde fährt. Die Teilnehmer sollen lernen, wie es ist, einen Teil der Kontrolle abzugeben, aber auch die Grenze eines solchen Systems erfahren. Denn fährt man schneller als die 28 Stundenkilometer, greift es nicht.

Im Drogen-Anzug fällt schon das Geradeauslaufen schwer. (Foto: Angelika Bardehle)

Wie sehr 1,3 Promille Alkohol einschränken, erleben die jungen Leute beim Torwandschießen mit einer Brille, die diesen Zustand der Trunkenheit simuliert. An einer weiteren Station vermittelt ein Trainer den Teilnehmern, wie beschnitten das Geschwindigkeitsbewusstsein ist. Sie erfahren dort, dass der Radius, in dem scharf gesehen wird, nur zwei Grad beträgt. Er sensibilisiert sie zudem dafür, wie gefährlich es ist, wenn beim Autofahren nicht auf die Straße geschaut wird: "Zwei Sekunden wegschauen bei 50 Kilometer in der Stunde sind 30 Meter Blindflug", sagt er. An weiteren Haltepunkten geht es etwa um das Einfahren in eine Kurve mit angemessener Geschwindigkeit oder die Technik eines Fahrzeugs.

Die Schlüsse, die Teilnehmer aus den Erfahrungen bei dem Training ziehen, sind ganz unterschiedlich. "Ich glaube, ich kann die Gefahr von Geschwindigkeit jetzt besser einschätzen", sagte Guixin Lin, Studentin an der Universität Augsburg. Etwas kritischer äußert sich Sebastian Raukuttis, Student an der Bundeswehruniversität: "Die Fahrerassistenz-Systeme waren für mich interessant, aber nicht sicherheitsrelevant." Für den Sicherheitsaspekt hätte man mehr machen können, findet er. Ein Trainer berichtete, dass gerade die jungen Frauen den Fahrerassistenz-Systemen eher skeptisch gegenüber gestanden seien, die Männer hätten keine Probleme damit gehabt, die Kontrolle zum Teil dem Auto zu überlassen.

Nitsch und ihr Team werden vor allem der Frage nachgehen, ob junge unerfahrene Autofahrer risikobereiter sind als junge erfahrene Fahrer und wie sich so ein Training auf sie auswirkt. Um das überprüfen zu können, lassen sie die Teilnehmer in Neubiberg und Köln vor und nach dem Training Fragebögen ausfüllen. "Wir sind daran interessiert, ob man Fahrerassistenz-Systeme für diese Gruppen entwickeln kann", sagt Nitsch. Möglicherweise könnte so ein Fahrassistent anzeigen, wenn eine kritische Situation vorliegt. Und vielleicht kommt ja auch bald ein System auf den Markt, das speziell jungen Fahranfängern helfen soll, früh genug abzubremsen oder sich am Steuer eines Autos nicht ablenken zu lassen.

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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