Abgabenlast:Das Geld liegt auf der Straße

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Nur noch vier Jahre bleibt Gemeinden Zeit, Anlieger für die erstmalige Erschließung ihrer Grundstücke zur Kasse zu bitten. Auf die Betroffenen können Zahlungen in Höhe von vielen tausend Euro zukommen

Von Michael Morosow, Unterschleißheim

Das Schreckgespenst mit dem sperrigen Namen "Straßenausbaubeitragssatzung" geistert nach wie vor durch die Amtsstuben der Landkreiskommunen, da nimmt ein zweites, womöglich noch bedrohlicheres immer deutlichere Konturen an: das geänderte Erschließungsbeitragsrecht, ein noch heißeres Pflaster, auf dem sich Anlieger und Kommunen gegenüber stehen. Wie Erstere ist es Teil des novellierten Kommunalabgabegesetzes, sein Konfliktpotenzial indes wird nicht nur vom Bayerischen Gemeindetag als noch höher eingestuft. In Unterschleißheim und Aschheim rumort es bereits, andere Gemeinden bereiten sich auf Proteste ihrer Bürger und rechtliche Auseinandersetzungen vor.

Die Uhr tickt. Nur noch bis zum 1. April 2021 lässt der Gesetzgeber den Kommunen die Möglichkeit, für die erstmalige Herstellung ihrer Straßen und Wege Erschließungsbeiträge zu erheben und somit die Anlieger mit 90 Prozent der Gesamtkosten zur Kasse zu bitten. Bis zu dieser Frist müssen sämtliche in den vergangenen 25 Jahren begonnenen Ersterschließungen nicht nur abgeschlossen, sondern auch abgerechnet sein. Nach diesem Stichtag dürfen Städte und Gemeinden nur noch Straßenausbaubeiträge einfordern, somit die Anlieger nur noch mit maximal 80 Prozent der Gesamtkosten belasten. Und wenn es keine reine Anliegerstraße ist, sogar mit noch weniger. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, zu dem sich einige Kommunen die schnellsten Laufschuhe schnüren, während die Anlieger nur Zuschauer sind. Deren Hoffnung muss nun sein, dass es ihrer Gemeinde oder Stadt zeitlich nicht gelingt, alle infrage kommenden Straßen in den nächsten vier Jahren ordnungsgemäß zu befestigen - oder sie darauf verzichtet.

"Für viele wird es ganz schön knapp, das alles bis in vier Jahren hinzukriegen", sagt Claudia Drescher vom Bayerischen Gemeindetag. Zumal man davon ausgehen müsse, dass die Auftragsbücher von Straßenbaufirmen angesichts des zu erwartenden Ansturms bald voll sein werden. Und es lägen "viele Leichen im Keller" etlicher Kommunen, "mit einem erheblichen Konfliktpotenzial". In Unterschleißheim etwa, wo die Stadt aktuell die Südliche Ingolstädter Straße ausbaut und die Kosten in Höhe von bis zu drei Millionen Euro auf 75 Anlieger umlegen will, was für einzelne Beiträge bis in den sechsstelligen Bereich bedeuten kann (siehe Bericht unten). Wie in Unterschleißheim hat in allen anderen Kommunen für die Höhe der Kostenbeteiligung eine Frage eine entscheidende Bedeutung: Straßenausbau oder Ersterschließung?

Die Antwort darauf ist deshalb wichtig, weil der Lauf der 25-Jahres-Frist an den Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Straße geknüpft ist. Und hierzu legt der Gesetzgeber fest, dass dieser Zeitpunkt gekommen sei, wenn die Kommune mit ersten Arbeiten an der Straße begonnen hat, und zwar erkennbar im Hinblick auf eine endgültige Herstellung, zu der unter anderem Radwege, Entwässerung und Beleuchtung zählt. Siegfried Hofmann, Geschäftsleiter der Gemeinde Brunnthal, erklärt das Merkmal einer Ersterschließung plastischer an einem fiktiven Beispiel: "Zuerst wurde über einen Feldweg nur kurz drüber geteert, dann entstand links und rechts Bebauung, jetzt bricht die Teerschicht weg: Dann laufen die Arbeiten unter Ersterschließung."

Im Unterhachinger Rathaus kramen Mitarbeiter des Bauamtes derzeit in ihren Büchern und suchen Aufzeichnungen über ihre Straßen zusammen. Laut Rathaussprecher Simon Hötzl müssen 72 Straßen und Wege danach abgeklopft werden, ob sie noch nicht ersterschlossen sind. "Das ist ein unglaublicher Aufwand für uns, und wir hoffen, dass wir keine finden, sonst wäre Streit programmiert." Den Zeitaufwand könne man noch nicht abschätzen, aber es würden Kollegen aus anderen Abteilungen aushelfen und eventuell andere Aufgaben zurückgestellt werden.

"Das ist richtig viel Arbeit", berichtet der Putzbrunner Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD), in dessen Gemeinde gerade die Tannenstraße zur Abrechnung steht - begleitet von Einsprüchen und Widersprüchen mehrerer Anlieger. Eine zusätzliche Halbtageskraft sei dazu Mitte März eingestellt worden, und auch externe Hilfe, zum Beispiel durch Baujuristen lässt sich die Gemeinde Geld kosten. "Wir wissen, dass da was auf uns zukommt", sagt Klaus Friedrich, Leitender Beamter im Ayinger Rathaus. Alte Straßenverzeichnisse müssten nun durchforstet werden. Aber in Korbinian Kroiß besitze man eine "kommunale Geheimwaffe". Kroiß war 48 Jahre in der Gemeindeverwaltung tätig, kennt somit jede Straße und ihre Historien.

Streit mit den Bürgern und wohl auch rechtliche Auseinandersetzungen mit ihnen stehen der Gemeinde Aschheim ins Haus. Kämmerer Marco Zschoch und Verwaltungsmitarbeiter hatten in den vergangenen Wochen Dokumente der bis 1978 eigenständigen Gemeine Dornach geprüft, mit dem Ergebnis, dass nur vier Straßen als ersterschlossen gelten, mehr als ein Dutzend dagegen nicht. Nach der jüngsten Gemeinderatssitzung stand eine Traube wütender Bürger vor dem Rathaus. Die Anlieger rechnen mit hohen fünfstelligen Summen für jeden Einzelnen.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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