Landgericht:Viele Details in Erinnerung

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Prozess gegen 43-Jährigen wegen Vergewaltigung einer Frau mit einer körperlichen Behinderung.

Von Susi Wimmer

Michael G. wirkt eher introvertiert. Er antwortet ruhig und sachlich, fast schüchtern. Vor Jahren saß er im Gefängnis, weil er das Kind seiner Lebensgefährtin misshandelt hatte. Heute ist er vor dem Landgericht München I angeklagt, weil er eine körperlich behinderte Frau gewürgt, geschlagen und vergewaltigt haben soll. "Haben Sie ein Problem in diese Richtung", fragt ihn Richter Max Boxleitner. "Ich habe eine Therapie gemacht", antwortet der Angeklagte nur.

Der 43-jährige Michael G. lernte Karin I. ( Name geändert) bereits im Jahr 2012 über ein Internetportal kennen. Er ergab sich ein sporadischer Kontakt, bei dem es auch zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen kam. Karin I. lebt seit einigen Jahren in einer Wohngruppe der Pfennigparade, weil sie bei einem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte und seitdem zu hundert Prozent körperlich eingeschränkt ist. "Sie ist ein bisschen antriebsschwach und braucht Hilfe bei der Tagesstruktur", beschreibt eine Pflegehelferin vor Gericht die Auswirkungen des Unfalls.

Im April 2018 meldete sich der in Unterschleißheim lebende G. nach längerer Zeit wieder einmal bei Karin I. und kündigte seinen Besuch an. Die Frau teilte ihm mehrmals klipp und klar via Textnachrichten am Handy mit, dass sie keinen Geschlechtsverkehr mehr mit ihm wolle, und willigte nur ein, dass er zum Kaffeetrinken vorbeikommen könne.

In ihrem Zimmer kam es dann doch zunächst zu gegenseitigen Streicheleien. Sex ohne Kondom käme für sie aber nicht in Frage, soll Karin I. erklärt haben. Daraufhin schlug Michael G. die Frau laut Anklageschrift ins Gesicht, drückte der Liegenden seinen Unterarm an den Hals, sodass sie schwer Luft bekam. Er soll perverse Sexpraktiken verlangt haben, und als sie sich weigerte, erneut zugeschlagen haben. Zudem soll er die Frau gezwungen haben, ihn oral zu befriedigen.

Für Michael G. waren alle sexuellen Handlungen "einvernehmlich". Als sie ihm nach dem Vorfall eine Nachricht schickte, die lautete "hast du mich grad eben vergewaltigt?", sei er "schockiert" gewesen. Es folgen Aussagen, die sich zuweilen widersprechen. Etwa, dass er sie an dem Tag nur habe sehen wollen und dass er ihr Geld leihen wollte. "Hatten Sie Geld dabei", fragt der Richter. Nein, antwortet Michael G. Dann hält Boxleitner dem Angeklagten vor, dass die Aussage der Geschädigten "sehr detailliert" sei, sie sich auch an Kleinigkeiten erinnere. "Ich weiß nicht, wie sie auf so was kommt", meint Michael G.

Karin I. habe lange gebraucht, bis sie alles erzählt habe, was am Abend des 1. April geschehen war, sagt eine Pflegehelferin. Es sei ihr sehr schlecht gegangen, sie konnte nicht arbeiten und habe Angst gehabt, alleine das Haus zu verlassen, berichtet eine Krankenschwester. "Sie hatte Angst, dass er nochmal kommt." Deshalb habe sie sich im Haus auch einmal mit einem Messer bewaffnet. Noch in dieser Woche soll Karin I. aussagen, ein Urteil wird für nächste Woche erwartet.

© SZ vom 15.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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