Kurzschlusshandlung:Mutter sticht auf ihren Zweijährigen ein

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Die Frau verletzte ihren Sohn mit einem Küchenmesser lebensgefährlich. Der Bruder rettet das Kind - die Frau hatte vier Promille Alkohol.

Susi Wimmer

Eine 46-jährige Frau in Berg am Laim hat am Mittwochabend mit einem Küchenmesser auf ihren zweijährigen Sohn eingestochen. Der große Bruder konnte das lebensgefährlich verletzte Kind in Sicherheit bringen.

Der Bub wurde in der Nacht notoperiert und ist außer Lebensgefahr. Die Mutter, die stark betrunken war und sich selbst oberflächliche Schnitte zufügte, wird wegen versuchter Tötung dem Haftrichter vorgeführt.

Donnerstagvormittag, Grafinger Straße. Hand in Hand marschieren die Buben und Mädchen des städtischen Kindergartens über den Gehsteig. Was sich wenige Stunden zuvor im Nachbarhaus abgespielt hat, weiß kaum einer in der Wohnsiedling zwischen Ostbahnhof und Innsbrucker Ring.

Nur, "dass gestern Abend recht viel Polizei und Feuerwehr da war", wie die Anwohner sagen. Da war die Grafinger Straße Schauplatz einer Tragödie.

Die geschiedene Frau lebte mit ihrem 20-jährigen Sohn aus erster Ehe, dem zweijährigen Kevin und dem Vater des Kindes in der Wohnung an der Grafinger Straße. Die 46-Jährig hatte einen Teilzeitjob als Reinigungskraft, der Vater des Kindes ist Maler.

Die Frau hatte ihren freien Tag

Am Mittwoch hatte die 46-Jährige ihren freien Tag. Ihr Lebensgefährte war noch nicht zu Hause, als der 20-jährige Sohn gegen 18 Uhr die gellenden Schreie seines Halbbruders hörte. Er stürzte ins Schlafzimmer und sah dort seine Mutter mit einem Messer in der Hand im Bett liegen, neben ihr der an Händen und Brust blutende Kevin.

Geistesgegenwärtig riss der 20-Jährige seiner stark betrunkenen Mutter das Messer aus der Hand, packte den kleinen Bruder und trug ihn zu einer befreundeten Familie im Haus. Dort leistete er Erste Hilfe und verständigte die Polizei.

Kevin erlitt einen lebensgefährlichen Stich in die Lunge und wurde noch in der Nacht notoperiert. Er befand sich am Donnerstag außer Lebensgefahr. Die betrunkene 46-Jährige, die sich im Schlafzimmer noch oberflächlich in die Brust geschnitten hatte, wurde ebenfalls in ein Krankenhaus gebracht - zur Ausnüchterung. Sie hatte vier Promille Alkohol im Blut und wurde unter Polizeibewachung entgiftet.

Soweit die Darstellung der Polizei. Die Beamten gehen davon aus, dass ihr der Ermittlungsrichter noch im Krankenhaus den Haftbefehl wegen versuchter Tötung eröffnen wird. In Polizeikreisen hieß es, dass die Frau bisher nicht durch Delikte aufgefallen sei.

"Vertreterbesuche zwecklos" steht an der Wohnungstüre im Hochparterre neben dem Namensschild. Am Türstock hat die Spurensicherung der Polizei bereits ihre Handschrift hinterlassen, ein Siegel am Türrahmen ist aufgebrochen, gerade sind im Inneren die Ermittler zugange.

"Hier kennt keiner keinen"

Das kahle Treppenhaus ist hellhörig, "hier hat der Bub öfter gespielt", sagt ein Nachbar aus dem ersten Stock. Er kannte die Familie "vom Grüß-Gott-Sagen" und beschreibt die dunkelhaarige Frau als freundlich - "aber meistens betrunken". Sie stamme aus den neuen Bundesländern und sei vor etwa vier Jahren in die Grafinger Straße gezogen.

"Ach, hier kennt keiner keinen", meint ein Rentner aus dem Haus gegenüber. Die Fluktuation sei recht hoch in den ehemaligen Sozialwohnungen. Die vierstöckige Wohnanlage wirkt an dem sonnigen Vormittag gepflegt: gemähter Rasen, begrünter Radlständer, von Müll oder Verwahrlosung keine Spur.

Nach Angaben der Polizei arbeitete die 46-Jährige stundenweise als Reinigungskraft, "aber für die Miete hat es wohl nicht so recht gereicht", sagt ein älterer Anwohner, der sich vor der Wohnung gerade mit dem Briefträger unterhält. "Mich hat sie mal angesprochen, ob es bei der Post freie Stellen gibt", erzählt der. Eine nette Frau, sagt auch er, "aber der Alkohol...".

© SZ vom 13.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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