Kunstmesse München:Spinner aus gewissen Kreisen

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Kunst sucht Käufer: Begegnungen und Kostbarkeiten auf der 53. Kunstmesse München.

Sandra Stricker

Sanft dringt Sonnenlicht durch die weißen Jalousien der Halle B6 auf der Neuen Messe München. Teppiche, in Dunkelblau und Creme gehalten, dämpfen den Schritt. Kontrabass und Klarinette unterhalten mit weichen Klängen. Ältere Herren tragen Tweedjacketts und elegante Geschäftsfrauen Hosenanzüge, Ton in Ton zu beigen Lackpumps. So sieht es also aus in der schönen kommerziellen Welt der Jäger und Sammler, die auf der 53. Kunstmesse München Werke aus sechs Jahrtausenden zu erbeuten hoffen. 90 Kunsthändler und Galeristen präsentieren hier ihre Ware.

Durch Öffnungszeiten bis 22 Uhr will man junge Leute auf die Kunstmesse locken. (Foto: Foto: Schellnegger)

Dabei sind es harte Zeiten für Geschäfte. Oder etwa nicht? Peter Henrich, der die Messe seit rund 20 Jahren leitet, gibt sich gelassen. "Finanzkrise? Kennen wir nicht", sagt er und lehnt sich entspannt in seinem Stuhl zurück. Er habe die ersten Stunden der Messe als sehr angenehm empfunden und freue sich des Lebens. "Unsere Besucher haben sicher nicht bei Lehman Brothers investiert. Die haben ihre Lust am Kaufen nicht verloren."

Auch Daisy Prevost Marcilhacy von De Jonckheere macht sich keine Sorgen um den Umsatz. Das niederländische Genrestück "Die Raucher" von David Teniers dem Jüngeren kostet bei ihr 220.000 Euro. Aber während der Finanzkrise suchten die Leute verstärkt nach neuen Werten - und die Alten Meister seien da eben eine stabile Anlage, meint die Galeristin mit dem klangvollen Namen. Auch Pieter Breughel der Jüngere ist bei ihr zu haben. Seine "Anbetung der Heiligen Drei Könige in einer Winterlandschaft" von 1633 kostet 1,8 Millionen Euro und ist damit neben Jawlenskys "Rote Blumen in Blauer Vase" bei Ludorff eines der kostbarsten Ausstellungsstücke.

Letztes Jahr zählte die Messe 150.00 Besucher in neun Tagen. Etwa 85 Prozent der Aussteller waren laut Henrich "sehr zufrieden". Der Messeleiter sieht keinen Grund dafür, dass sich das 2008 ändern sollte - auch wenn insbesondere international tätige Händler seit Jahren mit der Stadtrandlage in Riem und mangelnder Strenge bei der Teilnehmerauswahl unzufrieden sind und nebenbei die Konkurrenzveranstaltung "Munich Highlights" in der Innenstadt läuft.

Durch Öffnungszeiten bis 22 Uhr und Angebote aus dem unteren Preissegment hofft Henrich, verstärkt junge Sammler zu begeistern. Wie Franziska Scheller. Die 26-jährige Medizinstudentin ist zufällig hier, ihr Freund hatte Karten. Deshalb schaut sie mal vorbei - auch wenn es "noch lange dauern wird, bis ich mir mal was leisten kann". Als sie bei den Zeitgenossen ankommt, leuchten ihre Augen: "Die Sachen hier finde ich richtig schön", sagt sie angesichts großformatiger Malerei bei Six Friedrich, Binder oder Johnssen.

Nebenan lassen sich bei Flachsmann aus Kronberg asiatische Kuriosa entdecken. Netsuke heißen die japanischen Miniaturskulpturen aus dem 18. Jahrhundert, die zum Umhängen gedacht waren und von der Galerie als "Werte im Westentaschenformat" angepriesen werden. Sieben kleine Ratten aus Elfenbein haben sich da kunstvoll ineinander verkeilt. So groß wie zwei Daumen ist das Stück und damit ein entzückender, aber schwerer Klunker.

Bei Almut Wager aus München liegt der Schwerpunkt auf filigranem Schmuck aus dem 19. Jahrhundert. Die Händlerin dürfte eine der wenigen Aussteller sein, die internationalen Besuch verzeichnen können. Wager unterhält sich mit einer russischen Kundin über Tschaikowskys "Eugen Onegin" und wickelt nebenbei ein Geschäft ab. Weil man sich schon vom Vorjahr kennt, ist eine sofortige Barzahlung auch nicht nötig. In gewissen Kreisen kennt man sich.

Dass das Publikum aus eben diesen gewissen Kreisen sich mitunter seltsam benimmt, lässt sich bei Cahn International beobachten. Dort steht ein schöner, nackter, antiker Hintern aus Marmor. Die Pressefotografin möchte das Objekt samt Besucher, der gerade davor steht, festhalten. "Also bitte!", lautet die empörte Antwort. "Das ist doch ein Männerhintern! Fotografieren Sie lieber diese Blondine davor, die interessiert sich doch sicher dafür." Und fügt verschmitzt hinzu: "Meiner Frau hat der auch gefallen." Nur blöderweise ist es gar kein Männerpo. Sondern der von Venus.

Einen besseren Blick fürs Detail hat Ralf Schepers, Silberhändler aus Münster. Ein "Sweet-Meat-Basket" von 1764, ursprünglich für Konfekt gedacht, hat er dekorativ mit Kumquats befüllt. Schepers trägt zum dunkelblauen Anzug eine Krawatte mit Schafen drauf. Und ist schon am ersten Messetag "sehr zufrieden". Glücklich aber macht ihn der Besuch, der zielstrebig auf seinen Messestand zukommt: "Das ist Dr. Meidenbauer." Einer der "ganz großen Sammler Deutschlands" sei das.

Der betagte Herr mit dem schlohweißen Haar geht leicht vornübergebeugt, als ob er in seinem Leben schon zu viele Objekte zu genau betrachtet habe. Er kommt seit 1953 zur Kunstmesse. "Die Leute glauben, am ersten Tag macht man erstmal einen Rundgang. Das stimmt nicht, es ist ein Rennen. Kunstsammeln ist eine Jagd." Die Gattin lächelt stolz und fügt hinzu: "Eine Sucht!" Angesichts des prominenten Besuches hat Schepers keine Zeit mehr für die Reporterin. Bevor er mit dem Kunden verschwindet, dreht er sich aber noch einmal um: Man habe großes Glück gehabt, diese "Sternstunde" der Messe miterlebt zu haben. "Einen Spinner haben Sie erlebt", findet indes Meidenbauer selbst.

© SZ vom 20.10.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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