"Kunst & Antiquitäten"-Messe:Geschätzte Schätze

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Auf Süddeutschlands ältester Kunstmesse finden sich nicht nur teure Gemälde, sondern auch wundersame Einzelstücke aus längst vergangenen Tagen

Von Franziska Gerlach

Andreas Ramer würde nun gerne mal seine Weißwürste essen. Schließlich war er den ganzen Vormittag mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt. Aber so kurz vor Eröffnung der "98. Kunst & Antiquitäten München" kommt einfach ständig jemand zu ihm an den Bistrotisch im Untergeschoss der Kleinen Olympiahalle, und will etwas. Ramer begrüßen, sich von Ramer verabschieden, oder einfach nur wissen, wo sich eine Leiter befindet. "Sie sehen", sagt der Messeleiter, "ich bin hier vom Hausmeister bis zum Präsidieren für alles zuständig."

Messe-Fundstücke: Brasilianischer Affenkopf

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(Foto: Jan A. Staiger)

Ein roter Stern, im Mundwinkel eine Pfeife: Offenbar hatte der brasilianische Künstler Mozart Guerra, der heute in Paris lebt, einen kubanischen Revolutionär im Sinn, als er seinen Affenkopf schuf. Die Skulptur ist mit zahllosen Nägeln beschlagen, die der Künstler anschließend mit blauem Faden bespannt hat. So viel Arbeit hat ihren Preis: 7500 Euro kostet der blaue Affe.

Tibetischer Geisterschutz

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(Foto: Jan A. Staiger)

Takjab nennt sich dieser gemusterte Stirnschmuck für Yaks und Pferde, der vermutlich in den Jahren um 1900 in Tibet entstanden ist. Er sollte die Herde vor bösen Geistern oder wilden Tieren beschützen. 450 Euro kostet das dreieckige Stück kunstvoll verarbeiteter Wolle. Zu wertvoll, um es seinem Zamperl zum Spaziergang umzubinden. Also besser rahmen lassen.

Österreichische Bergwelt

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(Foto: Jan A. Staiger)

Zugegeben, ein heimeliges Gefühl stellt sich beim Anblick von Oskar Mulleys Berghof von 1930 nicht ein. Die raue Szenerie, die der 1891 geborene Maler mit seiner Spachteltechnik geschaffen hat, wirkt doch etwas düster. Doch angeblich ist der Österreicher gerade schwer gefragt. Wer also 54 000 Euro erübrigen kann, für den ist das Bild womöglich eine passende Wertanlage.

Münchner Biedermeier

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(Foto: Jan A. Staiger)

Aus Münchner Privatbesitz stammt dieses schöne Stück des Biedermeiers. Der Sekretär, ein beliebtes Möbel der Epoche, ist mit Kirschbaumholz furniert, an den Schubladen sind kleine Hornknöpfe angebracht. Eine Besonderheit: Das Unterteil des Schreibschranks hat keine Schubladen, sondern Türen. Da ist Ikea schnell vergessen. Vorausgesetzt, man hat gerade 9800 Euro zur Hand.

Gegründet im Jahr 1968, ist die "Kunst & Antiquitäten München" Süddeutschlands älteste Kunstmesse. Vom 18. bis zum 21. Oktober findet sie nun das erste Mal in der Kleinen Olympiahalle statt. Der Name mag den Gedanken an alte Bauernschränke, Landschaftsmalereien und Silberbecher hervorrufen. Und die gibt es hier auch, genauso wie Uhren, Möbel, Skulpturen und Textilkunst. Doch wer sich auf einen Streifzug durch diese wundersame, in Teilen durchaus skurrile Welt des Kunsthandels begibt, dem wird vielleicht nicht nur die bunte Jukebox oder die Madonna aus der Ostschweiz ins Auge fallen, die in den Jahren um 1420 entstanden ist. Sondern auch das wasserspeiende Krokodil, das einst wohl als Brunnen in einer französischen Villa gestanden hat; oder "die Kickerente", bei der Horst Eckert alias Janosch einmal nicht für Kinder, sondern für Erwachsene gemalt hat - ein Unikat. Der Künstler sei nun weit über 80, erzählt Galerist Sascha Augustin aus Wien. "Er traut sich einfach nicht mehr so."

Neue Räumlichkeiten für Antiquitäten: Nun findet die Messe erstmals in der Kleinen Olympiahalle statt. (Foto: Jan A. Staiger)

Mit seinen 78 Jahren ist Ramer nur wenig jünger. Die Organisation der Messe, so scheint es zumindest, erledigt er dennoch mit links. Überhaupt ist der Antiquitätenhändler als einer ihrer Gründer nicht nur ihr Leiter, sondern eher das geschäftige Herz der Messe. Und wenn Ramer davon erzählt, wie damals, vor 50 Jahren auf der Auer Dult, alles angefangen hat, stehen die Bilder nahezu plastisch im Raum. Dann stecken mit einem Mal elf befreundete Kunsthändler in der Tandlergasse die Köpfe zusammen und spinnen Ideen: Mensch, in München, da muss doch noch mehr gehen, man könnte doch zum Beispiel einmal einen Antiquitätenmarkt abhalten?

Andreas Ramer ist der Leiter von "Kunst & Antiquitäten München". Die Messe ging aus dem Antiquitätenmarkt hervor, den er und andere Kunsthändler vor 50 Jahren ins Leben riefen. (Foto: Jan A. Staiger)

Damals war die Stadt noch nicht von einem Netz an Flohmärkten überzogen, auch Antikmärkte kannte man in der Form noch nicht. Lediglich im Haus der Kunst habe eine Kunstmesse stattgefunden, die sei auch toll gewesen. "Und dann gab es eben die Auer Dult, dreimal im Jahr", sagt Ramer und nimmt einen Schluck Apfelsaftschorle.

Um die Pflege des Kunsthandels in der Stadt voranzutreiben und den Nachwuchs zu fördern, gründeten elf Kunsthändler den Verein "Münchner Antiquitätenmarkt". Das erste Mal fand der "kleine Antiquitätenmarkt" im alten Hackerkeller statt, an der Stelle des heutigen Pschorr-Kellers. Ihre Ware zeigten sie auf Wirtshaustischen, ohne Stände. "Aber es hat einen Riesenanklang gefunden", sagt Ramer.

Nach mehreren Stationen hatte die Messe zuletzt im Postpalast ein Zuhause. Weil der aber umgebaut wird, suchten sich die Kunsthändler mit der Kleinen Olympiahalle ein weiteres Mal eine neue Bleibe. Auch sonst ist in 50 Jahren einiges passiert. In München hätten viele Antiquitätengeschäfte aufgegeben, weil es sich schlichtweg nicht mehr lohne. Dafür zeigten die Händler ihre Ware nun auf Messen. Die Konkurrenz durch das Internet, wo Kunstschätze nur einen Mausklick entfernt sind, will Ramer aber nicht überbewerten. "In unserem Metier ist die Beziehung zwischen Händler und Käufer eine wichtige Sache", sagt er. Gerade Laien werden wohl gerne eine ausführliche Beratung in Anspruch nehmen, ehe sie sich eine Art-déco-Sitzgruppe für mehrere Tausend Euro zulegen.

Kuno Vollet stellt seine Bronzeskulpturen nun schon zum vierten Mal auf der Messe aus. Das letzte Mal sei es gut für ihn gelaufen, erzählt der Franke, und fremd fühle er sich als zeitgenössischer Künstler unter den Antiquitätenhändlern auch nicht. Er könne hier "eine Nische" besetzen, zumal "Crossover" ja im Trend liege. Damit meint er, dass sich eigentlich niemand mehr vom Beistelltischchen bis zur Couch alles aus einer Epoche anschafft. Auch Ramer spricht von einem "Stilmix", den der Kunde heutzutage schätze. Endete das Angebot der Messe früher noch mit dem Jugendstil, so etablierten sich später auch Objekte aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren als feste Größe. Und mittlerweile stellen auch einige zeitgenössische Künstler ihre Werke aus. Mehr als 35 Jahre war Ramer der Vorsitzende des Vereins; 2017 gab er den Posten an einen Jüngeren ab, an Maximilian Lerch. Der ist 28 Jahre alt - genauso alt wie Ramer, als er auf der Auer Dult die Idee eines Antiquitätenmarktes ersann.

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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