Kunst an ungewöhnlichem Ort:Wassermusik

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Das Müllersche Volksbad wird Kulisse für eine Oper, in der es um einen 13-jährigen Buben und seine Erlebnisse im Freibad geht. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Volkstheater lässt die Oper "Für immer ganz oben" im Müllerschen Volksbad aufführen - mit hohem Aufwand

Von Christina Hertel

Die Luft ist war und riecht nach Chlor. Zwei Männer lassen sich durchs Becken treiben. Ab und zu hört man sie lachen. Nur: es sind keine Badegäste, die hier ihren Feierabend ausklingen lassen. Für sie beginnt gleich die Arbeit. Der eine ist der Kostüm-, der andere der Bühnenbildner von "Für Immer ganz oben", einer Opernproduktion des Volkstheaters und der Münchner Biennale. Sie wird nicht wie sonst auf einer Bühne, sondern im Müllerschen Volksbad aufgeführt. Es ist kurz vor 18 Uhr und gleich beginnt die Probe. Ein Musiker stöpselt seine Gitarre an, der Tontechniker steht schon am Mischpult.

Der Mann, der einen Überblick über all das haben muss, heißt Harald Brückner. Er ist der Produktionsleiter, er tauscht sich ständig mit Technikern, den Schwimmbad-Chefs und dem Regieteam aus und kümmert sich darum, dass die Abläufe reibungslos funktionieren. Brückner hat schon einige ungewöhnliche Orte so umgestaltet, dass dort Theater gespielt werden kann. In Fabrikhallen zum Beispiel. Aber Oper im Schwimmbad? "Das ist schon noch mal etwas anderes", sagt er. Momentan ist das Ensemble relativ ungestört. Weil das Becken ausgebessert wurde, gab es in den vergangen Tagen keinen regulären Badebetrieb. Doch von Montag an ändert sich das. Dann muss das ganze Equipment nach den Proben abgebaut und in einem Container verstaut werden. Auch vor den Vorstellungen planschen bis 17 Uhr die Badegäste dort, wo später Schauspieler ihr Bestes geben. Etwa drei Stunden hat das Volkstheater-Team Zeit, das Schwimmbad für die Vorstellung herzurichten. "Das ist nicht viel", sagt Brückner. "Wie das klappt, werden wir nach der Generalprobe am Montag sehen."

Dass die Oper "Für immer ganz oben" im Schwimmbad aufgeführt wird, macht Sinn: Sie basiert auf einer Erzählung von David Foster Wallace, in der es um einen 13-jährigen Jungen und seine Erlebnisse im Freibad geht. Natürlich hätte man das auch irgendwie auf einer Bühne darstellen können. "Aber gewohnte Theaterräume zu verlassen, eröffnet auch Möglichkeiten", meint Brückner. Zum Beispiel schlägt zu Beginn des Stücks ein Bademeister auf einen Gong. Um den Klang sozusagen zu ersticken, wird der Gong in das Becken getaucht. "Das wäre auf einer Bühne wohl so nicht gegangen." Eine Oper im Schwimmbar ist aber ziemlich viel Arbeit: Im Becken schwimmen zum Beispiel 800 schwarze Luftballons, die mit Wasser gefüllt sind, um sie zu beschweren. So treiben sie nicht bloß an der Oberfläche, sondern schwimmen im Wasser. Nach den Proben müssen die Ballons aus dem Becken aber wieder raus. "Mit einem Kescher geht das nicht, dafür sind sie zu schwer", sagt Brückner. Also müssen alle einzeln aus dem Wasser geholt werden.

Dass 800 Ballons einen Aufwand darstellen könnten, hat sich Brückner gedacht. Dass er aber tatsächlich mehr als zehn verschiedene Sorten Kunstrasen bestellen muss, bevor der passende dabei ist, hätte er sich nicht vorstellen können. Der Rasen liegt um das Becken. "Als er nass wurde, hat er sich aufgelöst", erzählt Brückner. Plötzlich sei alles voller grüner Fusseln gewesen. "Wenn die ins Wasser gekommen wären, hätte der Bademeister wahrscheinlich einen Anfall gekriegt."

Die größte Herausforderung ist aber die Akustik. Das Plätschern des Wassers ist laut, der Hall gleichzeitig groß. Für den Gesang sei das toll, sagt Brückner: "Es klingt ein bisschen wie in einer Kirche." Doch wenn die Schauspieler sprechen, seien sie manchmal schlecht zu verstehen. Um ihre Stimmen zu verstärken, wurden direkt vor den Zuschauern an der Balustrade zum Becken hinunter kleine Lautsprecher angebracht. So muss der Schall nur einen geringen Weg zurücklegen, bis er zum Publikum kommt.Verstärker, Mischpulte und Mikrofone bedeuten aber auch Elektrik. Und die verträgt sich mit Wasser nicht so gut. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit sind die Scheinwerfer wasserdicht. Die Mischpulte sind das nicht, sie müssen nach jeder Probe abgebaut werden.

Dass ein Schwimmbad kein Theatersaal ist, merkt man auch an der Temperatur. Besonders oben auf der Galerie, wo die Zuschauer sitzen, wird es schnell warm. Trotzdem sollen die Zuschauer nicht in Badehose und Bikini kommen. Brückner hat aber einen Tipp: "Einen Smoking würde ich nicht anziehen. Und ein Wollkleid besser auch nicht."

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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