Christian Thielemann ist schon länger nicht mehr Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker. Hier unten aber, in den Eingeweiden des Gasteig, auf Ebene -3.0, ist er immer noch da. Und zwar in Gestalt der "TA Thielemann", jener speziellen "Technischen Anleitung", die von den Beschäftigten hier auch "Thielemann-Einstellung" genannt wird. Dem Stardirigenten war es nämlich am Pult immer etwas zu warm, für ihn musste die Luft exakt um ein Grad heruntergekühlt werden. Das ging zwar nicht, ohne dass es auch in der übrigen Philharmonie kühler wurde. Aber der Maestro ging natürlich vor. "Ab und zu gab es dann Beschwerden von älteren Damen", sagt Gasteig-Chefin Brigitte von Welser und lacht, "denen war es zu kalt bei uns."
Hübsche Anekdoten dieser Art gibt es einige zu hören, wenn man mit der Geschäftsführerin durch das Kulturzentrum stromert, um herauszufinden, warum die anstehende Generalsanierung voraussichtlich bis zu 480 Millionen Euro kosten wird und wo die überall verbaut werden. Das ist keine ganz einfache Angelegenheit, denn rein äußerlich sieht man dem Gasteig ja nicht an, dass da allerhand gemacht werden muss. Das liegt schon daran, dass während des Jahres alle möglichen Schönheitsreparaturen und andere Bauarbeiten erledigt werden. Allein in diesem Sommer gab es zum Beispiel gut 80 Einzelprojekte, auch ein Teil der Parkgarage war deshalb bis Ende September gesperrt. Und gerade wurde eine Baumaßnahme abgeschlossen, von der Brigitte von Welser bereits vorher wusste, "dass ich damit viel Zorn auf mich ziehen werde": Der "Gelbe Blitz", wie die gläserne Überdachung von der U-Bahn-Station Rosenheimer Platz bis zum Gasteig genannt wird, musste zum Teil abmontiert werden. Aus Sicherheitsgründen. Die Glasplatten entsprachen nicht mehr den Sicherheitsvorschriften. Jetzt geht es den Besuchern auf dem Weg zum Gasteig erstmal nass rein.
Überhaupt: das viele Glas! Der Münchner denkt ja beim Gasteig automatisch an einen Riesenhaufen roten Klinker. Dabei besteht das Gebäude bei näherer Betrachtung doch aus erstaunlich vielen Glasfassaden und -dächern. Viele davon müssen im Zuge der Generalsanierung ausgetauscht werden, auch weil sie den Vorschriften nicht mehr entsprechen und nach 30 Jahren das Ende der normalen Lebensdauer erreicht haben. "Viele Scheiben müssen heute stärker sein", sagt die Geschäftsführerin, "dadurch werden sie natürlich auch schwerer, und das hat wiederum Auswirkungen auf die ganze Konstruktion." Und wenn man schon einmal dabei ist, dann ist es natürlich sinnvoll, gleich Nägel mit Köpfen zu machen und das zu verbessern, was man schon lange verbessern will. Im Fall der Eingangshalle des Gasteig mit dem hohen Glasdach bedeutet das: Sie soll größer und heller werden. Der Eingangsbereich wird bis zur ersten Säulenreihe erweitert, dort, wo man heute noch im Freien steht. Und aus dem Kassenbereich wird ein großer Info-Schalter für das gesamte Haus.
Weniger spektakulär werden wohl die Umbauten in der Stadtbibliothek ausfallen. Auch hier gibt es natürlich Glasdächer um- und auszubauen, Lüftungs- und Heizungsanlagen zu erneuern - kurz, alles was an Haustechnik auf den neuesten Stand gebracht werden muss. In den Archivräumen in drei Untergeschossen, wo rund 1,3 Millionen Medien lagern, muss in dieser Hinsicht einiges gemacht werden. Und auch im Ausleihbereich wird vieles den neuen Erfordernissen angepasst, auch wenn man davon als Nutzer wenig sieht. Das trifft auch für einen anderen Trakt des Kulturzentrums zu, die Hochschule für Musik und Theater. Wer weiß schon, dass es da 88 Unterrichts- und Übungsräume gibt? Auch die müssen saniert werden, obwohl es eigentlich um Räume einer staatlichen Hochschule geht. Aber als das städtische Richard-Strauss-Konservatorium 2008 mit der Musikhochschule fusionierte, wurde in der Übergangsvereinbarung festgelegt, dass die Stadt bis 2030 diese und 16 weitere Räume zur Verfügung stellt. Auch dafür muss übrigens während der mindestens zweijährigen Schließung des Gasteig von 2020 an Ersatz gefunden werden.
Einen großen Brocken stellen auch die einzelnen Säle dar, einmal ganz abgesehen von der großen Philharmonie. Im kleinen Konzertsaal gibt es einiges zu tun, was die Schadstoffsanierung angeht - die Vorschriften zu Baumaterialien haben sich in den vergangenen 30 Jahren zum Teil erheblich geändert. "Bei der Gelegenheit wollen wir ihn auch gleich ein bisschen entrümpeln", sagt Brigitte von Welser, "und auf digitale Technik umrüsten, wie vieles andere im Haus. Als der Gasteig gebaut wurde, hat daran ja noch niemand gedacht." Umso wichtiger ist die technische Ausstattung heute, obwohl in den vergangenen Jahren schon viel nachgerüstet wurde. So gibt es bereits jetzt ein digitales Tonstudio mit einem großen Archiv, in dem unter anderem sämtliche Konzerte der Münchner Philharmoniker enthalten sind, aufgezeichnet auf rund 1000 DAT-Kassetten und Festplatten. Daraus soll in Zukunft einmal der "digitale Konzertsaal" der Philharmoniker werden.
Total entkernt wird auch der Carl-Orff-Saal, er soll zu einem flexibel nutzbaren Multifunktionssaal "mit guter Akustik" (von Welser) umgebaut werden. Auch die in die Jahre gekommene Bestuhlung wird dabei komplett ausgewechselt, nach dem Umbau soll vom Party-Bankett bis zum Guckkasten-Theater alles möglich sein.
Der größte Brocken ist allerdings nach wie vor die Philharmonie, wegen der (und wegen der zeitweilig ins Auge gefassten Zwillingslösung als gemeinsamer Konzertsaal für Münchner Philharmoniker und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks) die anstehende Generalsanierung immer noch auf sich warten lässt. Sie wird alleine schon viele Millionen kosten. Warum das so ist, kann Manfred Klaus, der Leiter der Gebäudetechnik im Gasteig, schnell erklären: "Jede Änderung unten im Saal erfordert eine fast komplett neue Konstruktion des gesamten Dachaufbaus." Es ist also nicht damit getan, ein paar Wände einzuziehen, oder die Podien für das Orchester umzubauen - wird das gemacht, dann muss der gesamte Saal neu konstruiert werden. Oben unterm Dach, gut 20 Meter über der Bühne, erhält man eine gute Vorstellung davon, was alles an Technik in so einem Konzertsaal steckt: Seilzüge, Aufhängungen für Schweinwerfer und Akustiksegel, Lüftungsanlagen, Sprinklerleitungen, Elektrokabel und so weiter. Unterm Dach ist also einiges geboten, aber nicht nur dort. Auch die Lüftungsanlage hat zum Beispiel einiges zu tun, stündlich tauscht sie 62 500 Kubikmeter Luft aus, die Konzertpodien müssen dem neuesten Stand der Technik angepasst werden - schon deshalb, weil es für die jetzigen Podien kaum noch Ersatzteile gibt.
So kommt eines zum anderen. Neue Vorschriften verursachen zusätzliche Kosten. So tritt 2021 zum Beispiel eine neue Sprinklerverordnung in Kraft, was für den Gasteig bedeutet: Im gesamten Gebäude müssen 10 000 Sprinklerköpfe ausgetauscht werden. Auch hier sieht man das als Gasteigbesucher zwar nicht, aber es kostet doch einiges.
Sehr sichtbar hingegen wird wohl der Umbau an der Kellerstraße. Hier ist die Ladezone für die Veranstaltungen, Orchester und Bands sowie Theaterproduktionen liefern hier an. Um die Nachtruhe der Anwohner nicht zu stören, läuft der Abtransport nach einer Veranstaltung bisher meist über den Umweg der Tiefgarage an der Rosenheimer Straße. Eigentlich ist das ein Irrsinn, und deshalb soll die Ladezone nun völlig neu gestaltet und in einem eigenen Anbau untergebracht werden.
Zorn wird Brigitte von Welser damit auch wieder auf sich ziehen. Denn der neuen Ladezone müssen wohl ein altes Klohäusl und sechs Bäume weichen. Und da ist der Münchner empfindlich.