Kritik I:Erhellend

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Drei Pianisten interpretieren die Klaviersonaten des Russen

Von Klaus Kalchschmid

Was für ein verrücktes, am Ende aber erhellendes Unterfangen: Am Nachmittag vor dem Sonntag mit sechs Symphonien Prokofjews seine neun Klaviersonaten in zwei Konzerten mit vier Pianisten in der Philharmonie zu präsentieren. Dmitrij Masleev, der Gewinner des Tschaikowsky-Wettbewerbs 2015, enttäuschte gelinde mit den ersten drei frühen (davon zwei kurze einsätzige). Etwas lärmend kalt glitzernd gespielt war das bei aller motorischen Penetranz und Rauheit, ja Derbheit und Ingrimm, die in diesen Sonaten - und später immer wieder - plötzlich durchbrechen. Ganz anders der hochmusikalische 21-jährige George Li mit Nr. 4 (c-Moll) und 6 (A-Dur), der ersten der drei zwischen 1939 und 1944 entstandenen "Kriegssonaten". Selbst im heftigsten Fortissimo war der Klang gerundet, knallte nichts, war alles, wann immer nötig, agogisch abgefedert. Dazu behielt der junge Amerikaner mit chinesischen Wurzeln immer das große Ganze im Auge und achtete auf die gewaltigen Kontraste zwischen den einzelnen Sätzen. So auch Lukas Geniušas mit der 5. (C-Dur) sowie der berühmten 7. Sonate und ihrem wie aus der Zeit gefallenen, wunderbar gesanglichen "Andante caloroso", bevor mit dem Finale wieder Härte und Vehemenz über den Hörer hereinbrachen, brillant gespielt vom 26-jährigen Moskauer.

Sergej Redkin war abschließend mit den Sonaten Nr. 8 und 9 zu hören, die noch einmal den ganzen Kreis ausmaßen, in dem sich Prokofjews Sonaten-Kosmos bewegt: Vom zarten, wiederkehrenden schumannesken Beginn ("Andante dolce") der B-Dur-Sonate in einem höchst vielgestaltigen, gewaltigen Kopfsatz über die Enklave eines "Andante tranquillo" und das mal wild stampfende, mal verrückt rasende "Vivace"-Finale bis zur unheimlichen Verhaltenheit und Schlichtheit in vielen Teilen der 1947 komponierten letzten Sonate. Sie mündet im letzten Satz wieder in einer fast verwirrenden Janusköpfigkeit und endet nach gewaltigen Stürmen mystisch leise.

Davor, dazwischen oder danach gab es pro Pianist eine Sonate des 200 Jahre älteren Domenico Scarlatti zu hören - ähnlich raffiniert exzentrische Musik wie die Prokofjews.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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