Kritik an Lidl-Einstieg reißt nicht ab:Schulung gegen Erklärungsnotstand

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Basic-Gründer Priemeier pilgert zwischen den Filialen und versucht seinen Mitarbeitern zu erklären, warum die Allianz mit Lidl toll ist. Diese sollen weiter vermitteln.

Bernd Kastner

In jedem Basic-Supermarkt gibt es eine Art Kummerkasten. In den können Kunden Zettel mit Fragen werfen, und Mitarbeiter liefern die Antwort, warum es beispielsweise keine H-Milch in Pfandflaschen gibt. Dann pinnen sie den Zettel an eine Korkwand.

In der Bogenhausener Filiale hängt an diesem Nachmittag rechts unten ein Zettel, auf dem die Antwort noch fehlt. Vielleicht, weil der Kunde gar keine Frage gestellt, sondern nur geschrieben hat: "Stoppt den Lidl-Einstieg, sonst . . ."

Der Einstieg der Schwarz-Gruppe, zu der Lidl gehört, bewegt nicht nur die Kunden von Basic, sondern auch die Mitarbeiter: Was passiert mit uns? Wie sagen wir's den Kunden? Deshalb sind die beiden Vorstände Josef Spanrunft und Johann Priemeier gerade auf Tour, um den 700 Beschäftigten in den 26 Filialen zwischen Hamburg und Wien Antworten zu liefern auf die Frage: "Warum ausgerechnet Lidl?" Priemeier formuliert das selber so, um später x-mal zu erklären, dass die 23 Prozent ja gar nicht Lidl übernommen habe.

Bio oder Billig - was sagen Sie?

Der Chef trifft seine Leute in zwei Schichten, es muss ja noch jemand im Laden bleiben. Vier sind in Runde eins in den Aufenthaltsraum in der Richard-Strauss-Straße gekommen, das ist der Laden unter der Basic-Zentrale. Später schauen noch drei Beschäftigte vorbei, die übrigen 20 sind im Urlaub oder haben keine Fragen.

Johann Priemeier, Niederbayer, 49 Jahre alt, Müller von Beruf, seit 30 Jahren in der Bio-Branche, Basic-Gründer und Hauptaktionär, ist in seinem Element, wenn er den "innovativsten, brisantesten und mutigsten Schritt, den es in der Bio-Branche je gegeben hat", erklärt. Und so hält er in Schicht eins erst mal einen einstündigen Monolog. "Warum ist das denn so?", fragt er. Warum hat Bio nicht mal vier Prozent am Lebensmittelumsatz? Antwort: Man habe zu lange polarisiert, hier die guten Bios - dort die bösen Konventionellen.

Er aber hat nichts gegen die Großen aus dem anderen Lager, und deshalb hat er dort nach Kapital für die Basic-Expansion (alle zwei Wochen ein neuer Markt) gesucht. Mit Tengelmann hat er geredet, aber das war nichts. Die hätten so viel wissen wollen, die Quadratmeterumsätze zum Beispiel, sodass bald klar gewesen sei: "Der pfuscht mir schon rein, bevor's losgeht."

Dann hat sich Schwarz aus Neckarsulm gemeldet, und Priemeier war begeistert: "Hey, das hört sich jetzt so verdammt anders an!" Weil Lidl und Basic so weit auseinander lägen, hier Discount, dort Bio, und weil die Schwarz-Leute von Bio so wenig verstünden, sei klar: "Reinreden ist definitiv nicht möglich." Mit Schwarz "bleiben wir autark."

Bio oder Billig - was sagen Sie?

Eine Mitarbeiterin fragt, ob das schriftlich festgehalten sei. Nein, sagt der Basic-Chef, "ich bin kein Freund von schriftlichen Verträgen". "Is scho bissl a Risiko", kommentiert die Mitarbeiterin. Von Aufregung in der Belegschaft aber ist nichts zu spüren, zumindest nicht in diesem Markt zu dieser Stunde in diesem Aufenthaltsraum.

Der Mann aus Simbach ist so überzeugt von seinem Tun, dass er Sätze sagt wie diese, es sind Sätze am Stück: "Es wird sich bei Basic nichts ändern. Aber das ein oder andere wird sich doch ändern. Es wird passieren, was wir am allerschlechtesten finden." Er meint, dass aufgrund der Expansion der Kontakt zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern weniger eng sein werde.

Priemeier berichtet, dass der Vertrag mit Schwarz schon im vergangenen Februar unterschrieben worden sei. Ein Beleg für ihn, dass sich auch mit Schwarz nichts ändere bei Basic, denn: "Keiner hat's gemerkt." Weil man das aber "nicht ewig geheim halten" hätte können, sei man "pro-aktiv" an die Öffentlichkeit gegangen, um sich nicht dem Vorwurf der Heimlichtuerei auszusetzen.

Das Pro-Aktive sah so aus: Im Juli, fünf Monate später, hätte man eigentlich nach und nach alle informieren wollen, von den Aktionären bis zu den Kunden. Dann aber habe einer der Gründerkollegen die Geschichte in der Presse lanciert, und dann habe Basic "holterdipolter" eine Mitteilung rausgeben müssen. Auf seine Mitgründer und -aktionäre, Richard Müller und Georg Schweisfurth, die auf der Basic-Homepage noch als "Freunde" geführt werden, ist Priemeier nicht mehr gut zu sprechen. "Gutmenschen", nennt Priemeier die "Freunde" bisweilen. Sie billigen die Allianz mit den Neckarsulmern nicht.

Keine Probleme "andichten"

Wie denn das nun sei mit der Mehrheitsübernahme, will eine Mitarbeiterin wissen. Das liege nicht an ihm, sagt der Finanz-Chef, sondern an seinen Mitgründern: Wenn die verkaufen, kriegt Schwarz die Mehrheit. Aber eigentlich egal, schon jetzt werde das Unternehmen gesteuert von ihm, Priemeier, und Schwarz, denn gemeinsam hätten sie bereits mehr als 50 Prozent, und sie seien sich über den Kurs der AG einig.

Ein Mitarbeiter fragt, ob außer den Herrmannsdorfer Landwerkstätten noch weitere Lieferanten aus Protest Basic boykottieren. Ja, "so ein Schokoladenlieferant" aus Freiburg, ein ganz Kleiner, "damit können wir leben". Auf das "theoretische Problemchen", dass auch Chiemgauer Naturfleisch aussteige, die Firma von Gründer-"Freund" Müller, sei man vorbereitet.

Wichtig ist Priemeier, den Mitarbeitern eine Kommunikationsstrategie gegenüber den Kunden zu vermitteln. Unter denen gebe es nämlich eine kleine

Minderheit, mit der man sich intensiv auseinandersetzen müsse. Satz eins: Es ist nicht Lidl, sondern die Schwarz-Gruppe. "Wir haben mit Lidl definitiv nichts zu tun." Zweitens: Der Vertrag wurde schon im Februar unterschrieben. Drittens: Man möge Basic an dem messen, was die Zukunft bringe, und keine Probleme "andichten", dass Basic nun werde wie Lidl und die Mitarbeiter so behandle wie der oft kritisierte Discounter.

Priemeier entschuldigt sich bei dieser Gelegenheit gleich bei seinen Leuten, weil viele vom Schwarz-Deal erst durch Kunden oder aus der Zeitung erfahren hätten. Er entschädigt sie mit Motivation: "Ihr kriegt auch was zurück." Bald, wenn der "große Hype" abgeebbt sei, "dann könnt ihr sagen: Ich war dabei." Damals, bei diesem großen Schritt.

Während der Basic-Vater sein Tun erläuterte, haben sich an der Pinnwand im Laden die Zettel vermehrt. Drei weitere zum Thema Lidl sind hinzugekommen, auf einem steht: "Sollte Lidl bei Basic Anteilseigner werden, sind Sie mich als Kunden los." Was hat der Chef vorhin gesagt, was die Mitarbeiter in solchen Fällen entgegnen sollen: "Es läuft schon seit Februar, und ihr habt es gar nicht gemerkt."

Bio oder Billig - was sagen Sie?

© SZ vom 10.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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