Kriegsaltlasten und horrende Bergungskosten:Wär's ein Goldschatz, würde sich der Staat natürlich kümmern

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Bombenstimmung in München-Freimann. SZ-Zeichnung: Dieter Hanitzsch (Foto: N/A)

SZ-Leser halten für ungerecht, dass bei einem Weltkriegs-Bombenfund nicht der Staat, sondern eine Hauseigentümerin zahlen muss

"Altlast mit gehöriger Sprengkraft" vom 11./12. März sowie "SPD sammelt Spenden für Melitta Meinberger" und "Höhere Gefahr durch Munition" vom 17. März:

Ein Skandal

Ist es nicht ein unerhörter Skandal, dass man die Haus- und Grundstückseigentümer auf den Kosten für die Sprengstoff-Räumung sitzen lässt?

Dass sich die Stadt und das Land für nicht zuständig erklären, ist noch nachvollziehbar. Aber dass sich der Bund aus der Verantwortung zieht als Nachfolgestaat des Staates, der verantwortlich war für die Ablagerung der Munition, sei es durch seine abrückenden Truppen, sei es durch seine "Befreier", ist skandalös.

Auch wenn es den so strapazierten Steuerzahler trifft: Auf 80 Millionen verteilt, würden von den 200 000 Euro jeden 0,25 Cent treffen. Und wenn nur jeder Zweite ein Steuerzahler wäre, dann wäre es ein halber Cent.

Das Steueraufkommen der in unserem Land nach wie vor äußerst produktiven und lukrativen Waffenindustrie dürfte sich im Milliardenbereich bewegen, hier drückt man sich um 0,2 Promille von einer Milliarde herum. Und mit der Produktion neuer Munition wird schon für Nachschub für künftige Generationen gesorgt.

Hätte die Familie auf Ihrem Grund einen Goldschatz gefunden, so wäre der Staat sehr schnell dabei gewesen, die Hand aufzuhalten. Man kann nur hoffen, dass Spender sich solidarisch mit der Familie zeigen. Dieter Bauer, München

Was ist mit Rechtsnachfolge?

Dies ist wieder einmal typisch für unseren Staat und unsere Beamtenschaft: Niemand fühlt sich zuständig, wenn ein Mitbürger, noch dazu völlig unschuldig, in Not gerät. Stadt und Freistaat sind sicherlich auch aus der Haftung, weil sie beide nicht dafür verantwortlich gemacht werden können, dass nunmehr Bomben auf dem besagten Grundstück liegen. Aber das "Dritte Reich" hat doch bekanntlich Krieg geführt (oder ist dies bei einigen schon wieder in Vergessenheit geraten): Als Rechtsnachfolgerin des "Dritten Reiches" ist natürlich der Bund zuständig, der dafür auch haften muss. Der Freistaat fühlte sich übrigens auch immer als Rechtsnachfolger eines gewissen Adolf Hitler, wenn es um die Verlagsrechte von "Mein Kampf" ging. Ich finde, der Bund sollte wegen dieser Angelegenheit, schon aus Gründen der Ehrlichkeit, verklagt werden, denn Deutschland hatte den Krieg nicht nur begonnen, sondern auch geführt, so dass es nunmehr auch für die Folgen verantwortlich ist. Der Spendenaufruf der SPD ist sicherlich sehr ehrenwert, beweist aber nur wieder einmal, dass dann, wenn es um die Belange eines Einzelnen geht, der Staat sich nicht zuständig fühlt, sondern der Bürger einspringen soll. Nikolaus Orlop, Gilching

Späte Weltkriegs-Opfer

Man möchte es nicht für möglich halten: Da erfährt eine Familie, dass sie auf zehn Tonnen Sprengstoff aus dem Zweiten Weltkrieg sitzt, und nun soll sie die immensen Kosten der Entsorgung dieser Hinterlassenschaft eines vom Deutschen Reich zu verantwortenden Krieges selbst tragen. Der Bund als Rechtsnachfolger hat zwar lobenswerterweise vielfach Entschädigungen an Opfer in aller Welt geleistet, doch gegen den einfachen Bürger im eigenen Lande stellt man sich taub. Hier vertraut man der bürokratischen Lehmschicht, die es selbst im Wahljahr zuverlässig verhindert, dass Protagonisten, die sich darum bewerben, die Interessen der Bürger zu vertreten, mit ihren akuten Anliegen überhaupt konfrontiert werden. Das Resümee des deutschen Rechtsstaates bescheinigt auf allen Ebenen, Bund, Land und Stadt, schlicht seine Unzuständigkeit. Entsorgung von Altlasten der Weltkriege ist Privatsache. Punkt. Dr. Rainer von Mellenthin, München

Zweierlei Maß

Wird im Boden eines Grundstücks Sprengstoff gefunden, muss für die Kosten der Beseitigung aufkommen, wer im Grundbuch eingetragen ist - auch dann, wenn nachweislich der Verursacher und ehemalige Eigentümer bekannt ist, ebenso dessen Rechtsnachfolger. Für eine davon betroffene Privatperson, wie in diesem Fall, bedeutet das den finanziellen Ruin. Wird hingegen Wertvolles - edle Bodenschätze, Erdöl - im Privatgrund entdeckt, gehört es dem Staat. Beides basiert auf unserer Rechtsprechung. Aber ist das auch richtig? Michael Mieslinger, Eichenau

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© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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