Kostspielige Kinderbetreuung:"Das ist über der Schmerzgrenze"

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Harte Kritik an der Stadt: Familien mit mehreren Kindern sind benachteiligt, das System ist zu unflexibel. Immer mehr Eltern rebellieren gegen drastisch steigende Kindergarten-Gebühren.

Jan Bielicki

Die geplanten, teils drastisch steigenden Gebühren für Kindergärten, Krippen und Horte der Stadt stoßen auf heftigen Widerstand der Elternvertreter. Die Beiräte der städtischen Kindertagesstätten fürchten, dass das Preisgefüge und unflexible Buchungszeiten normal verdienende Eltern weit überfordern - vor allem, wenn die Familien mehr als ein Kind zu betreuen haben.

Gerade für die Betreuung der Kleinsten müssen Eltern tief in die Tasche greifen. (Grafik bitte mit Lupe vergrößern) (Foto: Grafik: SZ)

"Das geht weit über alle Schmerzgrenzen hinaus", kritisiert Michaela Höckel. Die Vorsitzende des Gemeinsamen Elternbeirats der städtischen Kinderkrippen (Gebkri) ist sich dabei einig mit ihren Mitstreiterinnen aus den Gemeinsamen Beiräten für Kindergärten (GKB) sowie für Horte und Tagesheime (GEBHT) der Stadt. "Solche Preissprünge machen die Kosten für Kinderbetreuung unkalkulierbar", klagt die GKB-Vorsitzende Petra Nass.

Sie führt das Beispiel einer Familie an, in der beide Eltern ganztags berufstätig sind, zusammen mehr als 55.000 Euro brutto im Jahr verdienen, für ihr jüngeres Kind einen Krippenplatz und für ihr älteres einen Kindergartenplatz benötigen. Dafür mussten sie nach Nass' Kalkulationen bis Juli 2003 knapp 4000 Euro im Jahr bezahlen, seither schon 6270, von September an sollen es zwischen 7850 und 8900 Euro sein.

Besonders die Betreuung der Kleinsten halten die Elternvertreter für von vielen Familien kaum noch finanzierbar. Zwar sinken nach den Plänen der Stadt die Krippengebühren für Geringverdiener - aber nur, wenn die Kinder nicht den ganzen Tag bleiben. Für Eltern, die arbeiten und ihre Kinder länger als acht Stunden betreuen lassen müssen, steigen die Lasten. Und das zum Teil gewaltig: Wer mehr als 60.000 Euro brutto verdient, soll statt 339 Euro bis zu 421 Euro monatlich bezahlen.

Ein Viertel des Nettoeinkommens

Noch dramatischer werde es für Familien mit zwei kleinen Kindern, rechnet Michaela Höckel vor: Mussten Eltern bisher für das zweite Kind nur ein Drittel zahlen, will die Stadt diese Geschwisterermäßigung stark einschränken. Eltern, die brutto 60.000 Euro oder mehr verdienen, müssten für die Krippenbetreuung zweier Kinder fast ein Viertel ihres Nettoeinkommens aufwenden.

"Das trifft schon Eltern, die beide in ganz normalen Durchschnittsjobs arbeiten", sagt Höckel. Nach Abzug der Betreuungskosten bleibt nach ihren Rechnungen solchen Familien weniger Geld zum Leben, als wenn ein Elternteil den Job aufgibt und Sozialleistungen bezieht.

Auch andere der neuen Bestimmungen könnten Eltern im sozialen Netz hängen lassen, fürchtet Höckel. So bekämen nur Eltern, die mehr als 20 Stunden in Woche arbeiten, einen Ganztagesplatz - doch viele Teilzeitjobs verlangten heute mehr Flexibilität, als eine Halbtagesbetreuung der Kinder zulasse. Und weil die neue Satzung arbeitssuchenden Eltern keinen Krippenplatz zugestehe, hätten diese mangels gesicherter Betreuung ihrer Kinder keine Chance auf einen Job.

Weg mit der einkommensabhängigen Staffelung

Auch Petra Nass und Bettina Hainz, die Elternsprecherinnen für die Kindergärten und Horte, kritisieren fehlende Flexibilität der Buchungszeiten, aber auch die Struktur der Gebührentabellen. "Wir wissen, dass die hohe Qualität der Betreuung ihren Preis hat", sagt Nass.

Sie sieht aber einzelne Elterngruppen "über die Maßen belastet" - und andere für grundlos begünstigt: Weil sich die Höhe der Gebühren nach dem Einkommen des Vorvorjahres richtet, zahlen etwa Familien, in denen ein Elternteil in den ersten Lebensjahren des Kindes seinen Job nicht ausgeübt hat, deutlich weniger - auch wenn mittlerweile wieder beide Eltern verdienen.

Die Elternbeiräte wollen darum die einkommensabhängige Staffelung kippen und die Gebühren von Geringverdienern aus der Jugendhilfe zahlen lassen: "So machen es andere Städte", erklärt Nass, "und dort sind die Gebühren viel einfacher und niedriger."

Bis der Stadtrat im Juli über die Satzungen entscheidet, könnten diese sich aber noch verändern. "Wir werden schauen", sagt Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), "ob wir das in allen seinen Ausprägungen so auch verabschieden." Mehr wolle sie derzeit noch nicht sagen.

© SZ vom 29.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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