Konzertsaal-Debatte in München:Spannung vor dem Finale furioso

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Fällt am kommenden Dienstag eine Vorentscheidung für Münchens neuen Konzertsaal? (Foto: Catherina Hess)

"Eine Kulturstadt - mit Herz" und "Ein grandioser Saal - mit Sicherheit" und die Thema-des-Tages-Seite vom 3. Dezember zur Konzertsaal-Planung in München:

Nach Jahren endloser Debatten um einen neuen Konzertsaal in München setzt endlich der Schlussspurt ein. Zwei Investoren rangeln sich um den Zuschlag, das Projekt verwirklichen zu können, ihre Ideen liegen auf den vordersten Plätzen einer Machbarkeitsstudie des Architekturbüros AS&P. Die Plädoyers zu den Standorten in der SZ vom 3. Dezember 2015 lesen sich verführerisch (Karl Forster: "Eine Kulturstadt - mit Herz" und Gerhard Matzig: "Ein grandioser Saal - mit Sicherheit"). Und auf beider Gelände, in West und Ost, klettert der bayerische Ministerpräsident höchstpersönlich herum und scheut keine Mühen, sich vom vorgebrachten Für und Wider selbst ein Bild zu machen. "Schau mer mal", kommentiert die SZ weiter. Endlich nimmt ein dringend notwendiger neuer Konzertsaal greifbare Gestalt an.

Sich selbst informieren, so hielt es Horst Seehofer damals schon, als ihm vor Jahren das Marstallgebäude nahe gelegt wurde; oder auch das Deutsche Museum. Beide als ideal eingestufte Standorte lösten sich bei genauerem Hinsehen dann in Luft auf. Nun wird in diesen Tagen in der Staatskanzlei erneut hingeschaut und abgewogen. Diesmal stehen die Zeichen für eine Entscheidung gut, ob für West oder Ost wird sich noch zeigen. Ein Aufatmen geht durch die Münchner Musikwelt. Es rührt sich etwas in der Kulturpolitik, Erleichterung ist zu spüren. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Aber schwingt nicht auch Resignation mit - bei Standorten mit üppigen Gleisanlagen gleich nebendran, in Quartieren, die erst noch "entwickelt" werden müssen, mit Hilfe der Kunst und zum Frommen der Investoren? Von 80 bis 90 Millionen Euro Zusatzkosten für den Baugrund ist die Rede. Auch das Bürgertum wird aufgefordert, sich mit Spenden in durchaus respektabler Größe am Bau zu beteiligen. Dieser Geldbeutel dürfte geschlossen bleiben, wenn es darum geht, Privates zu finanzieren. Keiner wirft sein gutes Geld einem anderen hinterher. Sei's drum - die drängende Zeit erlaubt keinen Aufschub.

Aber halt, da war doch ehedem nur von einem Konzertsaal die Rede, den München so dringend braucht? Ziemlich neu ist heute zu erfahren, dass alles ein bisschen größer werden darf. Ein weiteres Musikzentrum mit allem Drum und Dran soll jetzt ertönen. Lässt sich das alles mit rascher Hand aufbauen, neben dem veritablen Gasteig, der diese Aufgabe gut erfüllt? Nachdenkliche Menschen befürchten, ein unreifes Projekt tut sich auf und zöge sich über viele Jahre hinweg, mit dem Risiko des Nichtvollendens und der Verkümmerung des bisher Geschaffenen.

Sollte der bevorstehende Entscheidungstermin in der Staatsregierung ergebnislos verstreichen, ist der Bau eines neuen Konzertsaals ernsthaft gefährdet. Dieser Fall darf nicht eintreten. Zu hoffen ist, dass, wenn es klemmt, der bayerische Ministerpräsident den Finanzgarten nicht vergisst, diesen für ein Konzerthaus idealen Standort und obendrein in staatlichem Besitz. Selbst die AS&P-Studie attestierte diesem eine sehr gute Eignung zur Standortidentität und setzte ihn auf die dritte Stelle, sehr knapp hinter "West". Dort lässt sich auf kleinerer Fläche zwar "nur" ein wunderbarer Konzertsaal bauen, denn die erforderlichen Nebenräume sind schon da: der Herkulessaal für die Kammermusik und Leerstand im Landwirtschaftsministerium für Orchesternebenräume. Das alles macht die Sache einfacher und preiswerter. Und des Bürgers Geldbeutel für ein neues Odeon inmitten der Stadt wird sich auftun, schon morgen!

Martin Wöhr, München

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© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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