Kontroverse Debatte:Stolpersteine: Bürger werden nicht gefragt

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Die Mehrheit im Stadtrat lehnt eine Verlegung der Stolpersteine ab. Stattdessen soll es Gedenkstelen geben, deren Gestaltung aber noch offen ist. (Foto: Robert Haas)

Die Befürworter hatten die Verlegung in München per Entscheid durchsetzen wollen. Nun geben sie den Plan auf, weil sie zu wenig Resonanz erwarten. Dafür könnte das Thema bald die Justiz beschäftigen

Von Dominik Hutter, München

In München wird es vorerst kein Bürgerbegehren für die Verlegung von Stolpersteinen geben. Nach Auskunft ihres Vorsitzenden Terry Swartzberg hat die Initiative "Stolpersteine für München" entsprechende Pläne erst einmal auf Eis gelegt - weil sie keine realistische Chance sieht, eine große Mobilisierungskampagne zu stemmen. Weiter im Raum steht allerdings eine Klage am Verwaltungsgericht, die Angehörige von Holocaust-Opfern für den Fall angekündigt haben, dass die Stadt ihren Ende Juli eingereichten Antrag auf Stolpersteine abweist. Deren Anwalt Hannes Hartung erwartet noch im Oktober eine erste Reaktion der Stadt. Eine endgültige Zu- oder Absage könnte sich allerdings noch mehrere Monate hinziehen - die Stadt organisiert derzeit einen Gestaltungswettbewerb für die im Rathaus favorisierten Gedenkstelen sowie das geplante Mahnmal mit den Namen aller Münchner Holocaust-Opfer.

Hartung hatte im Namen seiner Mandanten gefordert, zunächst drei Stolpersteine und eine Stele errichten zu dürfen. Rein formal handelt es sich dabei um einen Antrag auf eine Sondernutzungserlaubnis. Eine solche Genehmigung, so Baureferats-Sprecherin Dagmar Rümenapf, kann erst dann erteilt werden, wenn feststeht, wie die geplante Stele überhaupt aussieht. Dafür soll es stadtweite Vorgaben geben, die das Kulturreferat in einem Gestaltungswettbewerb festlegen will.

Damit allerdings hat die Behörde gerade erst begonnen. Max Leuprecht, der Büroleiter von Kulturreferent Hans-Georg Küppers, rechnet mit einem Ergebnis bis Ende April 2016. "Man muss den Teilnehmern Zeit geben", erklärte er. Aktuell werde eine Jury zusammengestellt, mit der die Ausschreibungsvorgaben diskutiert werden. Anschließend wolle das Referat einen noch festzulegenden Zirkel an Künstlern und Designern fragen, ob sie an einem solchen Wettbewerb teilnehmen wollen. Während es bei den Gedenkstelen, die vor den früheren Häusern von Holocaust-Opfern aufgestellt werden, vor allem um die Gestaltung geht, sind bei dem Namensdenkmal auch noch juristische Fragen zu klären. Etwa die Frage, welche Personen darauf überhaupt verzeichnet werden - möglicherweise gibt es Widersprüche von Anhörigen. In Überlegung sei auch ein "Denkmal im Veränderungsprozess", bei dem eventuell noch nachträglich Namen ergänzt werden können. Dafür müssten die Künstler eine Antwort finden, erklärt Leuprecht.

Prinzipiell hat im Rathaus freilich niemand Zweifel daran, wie die Antwort des Baureferats auf Hartungs Antrag ausfallen wird: Ja zur Stele, nein zu den Stolpersteinen. Denn dies hat die Vollversammlung des Münchner Stadtrats nach langer und heftiger Debatte Ende Juli als künftige Grundlinie festgelegt. Neben Stelen sind auch Wandtafeln erlaubt, falls der Hauseigentümer zustimmt. Das zentrale Namensdenkmal, das ebenfalls Teil des Beschlusses war, soll am früheren "Ehrentempel" der Nazis am Königsplatz entstehen, also in Sichtweite zum NS-Dokumentationszentrum.

Für Hartung wäre eine solche Antwort wohl nicht überraschend. Der Anwalt hält es jedoch für unzulässig, dass die Stadt bei Stelen und Stolpersteinen mit zweierlei Maß misst, also die Form des Gedenkens vorgibt. Noch unklar ist, was mit den bereits fertiggestellten Stolpersteinen passiert, die derzeit eingelagert sind und auch weiterhin nicht auf öffentlichem Grund verlegt werden dürfen. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl hatte in der Stadtratssitzung angekündigt, eine Lösung zu suchen. Bisher allerdings, so Reissl, gebe es noch keine zündende Idee. Das Thema bleibe aber auf der Tagesordnung. Aktivist Swartzberg konzentriert sich derweil darauf, private Grundstücke zu finden. Dort gilt das Stolperstein-Verbot nicht.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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