Konstantin Wecker:Eine ganze Menge Leben

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60 ist eigentlich noch kein Alter. 60 wird einer leicht einmal. Heute feiert Konstantin Wecker 60. Geburtstag im Circus Krone.

Franz Kotteder

Konstantin Wecker wird 60 Jahre alt, und irgendwie kommt einem das trotzdem komisch vor, wenn man so auf Mitte 40 zugeht.

(Foto: Foto: AP)

Auf die eine oder andere Art und Weise hat er einen ja immer begleitet, als öffentliche Figur und als Teil der eigenen Biographie. Damals, mit 15 oder 16, der ,,Willy'', das war schon was! Die pathetische Ballade über den Willy, den die Nazis erschlagen haben, bloß weil er am Biertisch anderer Meinung war.

Ein ganz neuer Ton: dass da einer seine Wut und seine Verzweiflung herausschreit - so fühlten wir uns damals, ein bisschen ohnmächtig, ein bisschen zornig (falls man sich überhaupt ,,ein bisschen zornig'' fühlen kann), aber immer beseelt vom Wissen, auf der richtigen Seite zu stehen.

Später, so mit 30, hat man sich dann auch ein bisschen geschämt, fand das Pathos dann doch dick aufgetragen, na ja. Man wird ja dann vernünftiger und pragmatischer mit den Jahren und findet irgendwann vielleicht sogar, dass der Neoliberalismus die Welt dann doch ganz plausibel erklärt, ob's einem jetzt passt oder nicht...

Das Schöne an Konstantin Wecker ist übrigens, dass ihm derlei Überlegungen ziemlich fremd sind. Nicht, dass er nicht manchmal zweifeln würde an den eigenen Positionen. Aber andererseits: ,,Manche Sachen san kerzengrad so, wie's san'', sagt der Kabarettkollege Georg Ringsgwandl, und das sieht auch Konstantin Wecker so.

Da gibt es dann kein Herumdeuteln. Und viele, die ihn belächelt und kritisiert haben, weil er 2003 vor dem zweiten Irak-Krieg nach Bagdad geflogen ist, um ein ,,Konzert für den Frieden'' zu geben, sehen die Angelegenheit inzwischen auch ganz anders. War vielleicht doch nicht so eine gute Idee von diesem Bush, die Sache mit dem Krieg...

Nicht, dass einer, der manchmal wahre Dinge sagt, sich deshalb auch immer gleich im Besitz der einzigen Wahrheit glaubt. Dafür ist Konstantin Wecker inzwischen dann doch zu oft auf die Nase gefallen. Aber sicher nicht auf den Mund. Man kann sogar sagen, dass wohl kaum ein Künstler, ein Liedermacher, sein Leben so öffentlich lebt wie er.

Über seine Glücksgefühle lässt er das Publikum ebenso wenig im Unklaren wie über seine Trauer und seine Niederlagen, und eben erst ist sein neues Buch erschienen mit dem Titel: ,,Die Kunst des Scheiterns''. Das mag auf manche etwas kokett wirken, so als ob da einer sein Leben und seine Empfindungen ausstellt.

Aber bei Wecker war das eben von Anfang seiner Karriere an immer schon eines, das Leben und die Lieder, da sollte es keine Schauseite geben, nichts Falsches und nichts Verlogenes. Und tatsächlich funktionieren Weckers Lieder eigentlich nur dann, wenn er sie selbst singt - bei anderen klingt's gern mal aufgesetzt und künstlich, bei ihm nicht.

Trotzdem hat das natürlich nicht immer so geklappt mit dem Authentisch-Sein. In den Siebzigern brauchte es privat dann schon mal einen Pontiac Firebird und einen protzigen Nerzmantel, und wenn ihm seine Mitmusiker die Füße küssten, war's schon auch recht.

Es kam das Kokain, 15 Jahre lang bis zur Verhaftung 1995, die ihm, wie er heute sagt, das Leben rettete. Denn die Sucht deckt ja doch erst einmal alles zu, was man an sich selbst nicht sehen will, und was dann auch die anderen nicht sehen sollten.

Das ist vielleicht der Grund, warum die Drogenkarriere des Konstantin Wecker auch heute noch, zwölf Jahre später, ein Hauptthema zu sein scheint für die Medien: Weil da einer, der noch eine Moral hatte und etwas, was man ,,ehrliches Pathos'' nennen mag, plötzlich dunkle Seiten und Brüche aufwies.

Künstlerisch war's damals schwierig. Die Fans blieben freilich treu; es gibt kaum jemand, der treuere Fans hat als Konstantin Wecker, vielleicht noch der TSV 1860 München. Damals, unter Drogeneinfluss, sang und dichtete Wecker so, wie die Löwen kicken - sehr wechselhaft.

Als die SZ einmal den Liedtext von ,,Gamsig'' abdruckte und nur den Satz dazuschrieb, hier erübrige sich wohl jede Kritik, kamen wütende Leserbriefe, meist in Briefumschlägen aus Umweltschutzpapier mit pastellfarbenen Regenbogenbildern auf der Vorderseite über dem Absender.

Wie man nur so gemein und unverschämt mit dem Konstantin umgehen könne!

Heute ist zwar alles anders, doch die Anhänger sind geblieben. ,,Meine Fans sind mit mir mitgealtert'', sagt Konstantin Wecker, ,,aber ab und zu kommen auch ein paar junge.'' Über die Schule, weil seine Texte gelegentlich im Unterricht vorkommen, denn im Formatradio hört man Wecker ja praktisch nie.

Der ,,Willy'' zum Beispiel, noch immer Weckers größter Erfolg: ,,Nur Klavier und Gesang, und das dann noch auf Bayerisch - das ist natürlich der Tod für die Quote, sagen die Radiomacher!''

Einerlei, nicht nur auf schwärmerische Jugendliche wirkt er also immer noch, der ,,Willy''. Und: ,,Heut' schau'n die Madln wia Äpfel aus'' oder ,,Genug ist nicht genug, genug kann nie genügen'' - in sich nicht ganz logisch, aber in der Pubertät ist einem so etwas natürlich völlig wurscht.

Das war der frühe Wecker, eine Mischung aus Rimbaud und Boogie-Woogie mit einem Hauch Puccini, dem Opernkomponisten, für den sich Wecker schon immer begeistern konnte, bis heute.

Heute ist Konstantin Wecker wieder gut beschäftigt, vielleicht mehr als je zuvor. Schreibt Lieder, Filmmusik und Musicals für Kinder und Erwachsene, demnächst steht wieder die Theatermusik für ein ,,Faust II''-Projekt in Bad Hersfeld an, und dann kommt noch eine ,,Zugaben-Tour'', bei der er alle Lieder spielen will, die sich die Fans per Internet gewünscht haben.

,Manche sind vielleicht nicht mehr so ganz passend für einen 60-Jährigen'', meint er selbst, aber da muss er natürlich durch. Heute Abend aber wird erst einmal Geburtstag gefeiert, mit der Familie - Frau Annik und die Söhne Valentin und Tamino - im Circus Krone, mit musikalischen Wegbegleitern und Fans.

Auch ,,Willy'' wird dabei sein, allerdings nicht gesungen von Wecker, sondern in einer Version, die er selbst auch sehr gelungen findet. Es handelt sich um eine Parodie von Willy (!) Astor, und sie heißt: ,,Gestern hob i mein Wecker daschlogn.''

Vielleicht ist das ja eine der wenigen Möglichkeiten, ein Lied von Wecker zu interpretieren, wenn man nicht Wecker heißt, ohne peinlich zu wirken. (Circus Krone, 20 Uhr, es gibt noch Karten; das Konzert wird vom Bayerischen Fernsehen aufgezeichnet und am 7. September gesendet. Ein Mittschnitt läuft am 7. Juni, 15.05 Uhr, auf Bayern2 Radio.)

© SZ vom 1.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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