Konsens gesucht:Um jedes Wort streiten

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Thomas Loster lehrt an der Hochschule München Nachhaltigkeit. (Foto: Stephan Rumpf)

Thomas Loster spielt den Klimagipfel nach

Von Jakob Wetzel

Ist der Klimawandel in Wahrheit ein einziger Schwindel? Erfunden von den Chinesen, um den USA zu schaden? Zumindest Donald Trump twittert solche und ähnliche Sätze, und Thomas Loster lässt seine Studenten darüber diskutieren. Loster ist Geschäftsführer der Münchener-Rück-Stiftung; und an der Hochschule für angewandte Wissenschaften lehrt der Geograf Nachhaltigkeit an der Fakultät fürs Studium Generale. Er will unter anderem, dass seine Studenten begreifen, warum Verhandlungen ums Klima so schwierig sind.

Dabei kann er auf eigene Erfahrung zurückgreifen. Sechs Jahre lang war er Teil des deutschen Rats für Nachhaltige Entwicklung, er ist Mitglied im Rat der Weltbank, war als Beobachter allein bei 20 Klimagipfeln der Vereinten Nationen. Er zeigt seinen Studenten, um welche Sätze 2015 in Paris gestritten worden ist oder 2009 in Kopenhagen. "Jedes Land bringt seine eigene Wirtschaftsagenda mit", sagt er. Um jedes "und" oder "oder" wird erbittert gerungen. Am Ende muss ein Konsens stehen. Da bleibt nur der kleinste gemeinsame Nenner übrig.

Wie schwierig die Verhandlungen sind, macht Loster den Studenten an alltäglichen Beispielen klar: Er lässt sie etwa über einen Satz streiten, mit dem sie sich dazu bereit erklären würden, mehrere Tage in der Woche auf Computer, Internet, Fernsehen oder Smartphones zu verzichten. Gerade letzteres sei meist tabu, sagt er. Oder die Studenten debattieren, wie eine Pizza verteilt wird. Erhält jeder die gleiche Menge? Sollten Dicke weniger bekommen? Sollte man sich danach richten, wer mehr Hunger hat? Und was ist mit denen, die vorab schon ein Stück stibitzt haben? Es gebe viele Maßstäbe für Gerechtigkeit, sagt Loster dann. Nach demselben Muster werde auch auf internationalen Konferenzen diskutiert.

Die Fortschritte im Laufe des Semesters seien erheblich, sagt Loster. Zu Beginn fragt er sie, was sie unter Nachhaltigkeit verstünden. Meist antworten sie dann, man müsse die natürlichen Ressourcen schonen. Am Ende des Semesters antworten sie auf die gleiche Frage: Bildung, Gleichberechtigung, Trinkwasser, ausreichend Nahrung und medizinische Versorgung für alle. "Das Wissen ist ihnen nicht nur durch den Kopf gegangen", sagt er, "sondern auch ins Herz."

© SZ vom 29.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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