Komplizierte Geschäftsbedingungen:Preissteigerung zu "überraschend"

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Münchner muss dreißigfache Teuerung des Abos nicht bezahlen

Das Kleingedruckte löst bei den meisten Menschen eher negative Gefühle aus. Ganz abgesehen davon, dass es oft so klein ist, dass nicht mal eine Lupe Abhilfe schaffen kann, versteckt es sich in der digitalen Version manchmal hinter Links oder auf Extra-Fenstern. Als ob die bürokratische Sprache nicht sowieso schon unverständlich genug wäre. Ein Abonnent einer Berliner Börsenbrieffirma hat nun ganz gegenteilige Erfahrungen mit dem Kleingedruckten gemacht. In dieser Geschichte kommt es recht gut weg - es hat dank seiner Eigenschaft, überraschend zu sein, einen Münchner davor bewahrt, 1298 Euro an die Berliner Firma zu zahlen. Das Münchner Amtsgericht hat die Klage der Firma auf Zahlung dieser Summe kürzlich abgewiesen.

Anfang des Jahres warb die Börsenbrieffirma auf ihrer Internetseite mit einem besonderen Angebot: Statt den regulären 699 Euro sollte das dreimonatige Testabonnement zum Börsenhandel mit Rohstoffen nur 9,99 Euro kosten. Das ist ein Ersparnis von 689 Euro und einem Cent. Der Mann aus Neuried griff zu und bestellte das limitierte Kennenlernangebot, das eine Minute vor Mitternacht enden sollte, am 16. Januar diesen Jahres. Auf der Bestellseite waren die Geschäftsbedingungen, also im Leumund das Kleingedruckte, einsehbar.

Eine Klausel blieb dem Käufer allerdings verborgen: Sämtliche Abos werden um ein Jahr verlängert, wenn sie nicht fristgerecht vor Ablauf des jeweiligen Bezugszeitraums gekündigt werden. In diesem Fall kostet das Jahresabo allerdings die regulären 1298 Euro. Die Kündigungsfrist: sechs Wochen.

Die Zeit verstrich, die Kündigung ließ auf sich warten. Am 12. März, also fünf Wochen vor Ablauf des Testabos, stellte die Berliner Firma dem Mann die vollen Kosten für ein Jahr in Rechnung. Noch am selben Tag widerrief der Überraschte den Vertragsschluss - akzeptiert wurde die Kündigung allerdings erst zum 17. April des kommenden Jahres. Die Firma klagte das Geld ein. Doch sie bekam eine Abfuhr.

Die Geschäftsbedingungen seien so überraschend, sagte die Richterin, dass der Beklagte nicht damit zu rechnen brauchte. Das Abo sollte sich um die vierfache Zeit für den dreißigfachen Preis verlängern. Ob der Widerruf fristgerecht war, sei dahingestellt - eine solche Steigerung müsse aber keiner erwarten. Die Überraschung, die benötigt man vom Kleingedruckten normalerweise nicht; dem Neurieder kam sie aber gerade recht.

© SZ vom 16.12.2019 / kel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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