Kommunale Entwicklung:Alles braucht seine Zeit

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Eine gigantische Baustelle zieht sich 2017 durch das Freisinger Moos: Hier entsteht die seit mehr als 40 Jahren umstrittene Westtangente. (Foto: Marco Einfeldt)

An manchen Vorhaben bastelt der Freisinger Stadtrat schon seit Jahrzehnten. Die Debatten werden begleitet von Bürgerabstimmungen und Gerichtsprozessen.

Von Kerstin Vogel, Freising

Vor ziemlich genau 40 Jahren - am 2. Mai 1977 - hat sich der Freisinger "Verwaltungssenat" als damaliger Ausschuss des Stadtrats auch mit einem Antrag der Süddeutschen Zeitung befasst. Es sollte eine "vierteljährlich kündbare Vereinbarung betreffend die Veröffentlichung von Informationen der Stadt Freising zum monatlichen Pauschalpreis von 200 Mark" genehmigt werden. Die Stadträte waren dem Protokoll zufolge dafür, die Süddeutsche Zeitung sollte aber darauf hingewiesen werden, "dass die Stadt Freising eine gute Placierung ihrer Informationen erwartet". Ganz nebenbei wurde die "Lieferung von 15 Freiexemplaren" vereinbart. Heutzutage kann die Stadt Freising ihre Informationen jederzeit selber auf ihrer Homepage oder via Facebook veröffentlichen, und aus den Freiexemplaren sind zumindest in Teilen wahrscheinlich Digitalabos geworden. Manch ein Thema der Stadtpolitik aber hat die 40 Jahre seit der Vereinbarung aus dem Verwaltungssenat bis heute leicht überdauert.

Westtangente

Für Schlagzeilen sorgte beispielsweise schon 1977 der Bau der Freisinger Westtangente. 1972 als Umgehungsstraße in den Flächennutzungsplan aufgenommen und von Beginn an umstritten, folgte 1976 das Raumordnungsverfahren. Dessen Ergebnis wurde am 12. August 1977 unter dem Titel "Querung von Vötting ist die beste Lösung" in der Freisinger SZ veröffentlicht - gut "placiert", versteht sich - und der Leser erfuhr schon im ersten Satz, dass der Streit um den Bau der Straße damit in eine neue Phase getreten sei.

Tatsächlich wurde in der Folge fast 40 Jahre lang teilweise erbittert um die Westtangente gestritten. Erst 1987 konnte das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden, ein erster Planfeststellungsbeschluss folgte 1995, wurde aber drei Jahre später vom Verwaltungsgericht wieder kassiert; ein Urteil, das der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 1999 bestätigte.

Endgültig aufgeben mochte der Stadtrat die Planung jedoch nicht. Im Jahr darauf holte man den Kreistag zur Finanzierung ins Boot; 2003 wurden gleich acht verschiedene Wahltrassen für den Bau der Westtangente vorgestellt und nach langen Untersuchungen und Auswahlverfahren legte sich die Stadt 2004 schließlich auf eine Variante mit Bau eines Tunnels unter dem Ortsteil Vötting fest. Am 12. Juni 2008 folgte die Planfeststellung durch die Regierung von Oberbayern, weitere Klagen wurden abgewiesen und die letzte im Jahr 2011 schließlich zurückgenommen.

In einer Art letztem Aufbäumen versuchten die Tangentengegner schließlich am 22. September 2013, das Projekt mit einem Bürgerentscheid zu Fall zu bringen, scheiterten jedoch am Willen der Freisinger. 56,5 Prozent der Bürger, die sich an der Abstimmung beteiligten, sprachen sich für die Umgehungsstraße aus. Nur zwei Monate später fasste der Stadtrat den endgültigen Projektbeschluss.

Seit dem symbolischen Spatenstich am 7. Mai 2015 haben sich auch die Schlagzeilen in der Freisinger SZ zur Westtangente verändert. Unter der Überschrift "Spritzbeton und Staubwolken" hieß es da Anfang April 2017 beispielsweise auch: "Die Arbeiten zur Westtangente, mit 86,5 Millionen Euro Kosten Freisings derzeit teuerstes Projekt, laufen auf Hochtouren. In Vötting beim Tunnelbau leiden die Anwohner am meisten unter Lärm und Stau."

Eishalle

Die Formulierung, die SPD-Stadtrat Helmut Weinzierl wählt, wenn es um die Anfänge des Freisinger Eisstadions geht, sagt es bereits: Schon sein Vorgänger als Sportreferent des Freisinger Stadtrats, Peter Westermeier, sei vor gut 40 Jahren "hinter einer Eishalle in der Luitpoldanlage hergewesen", ein zweites Thema, das die Freisinger SZ seit 1977 begleitet hat - und das auch 2017, mehr als zwei Jahre nach der Fertigstellung des Stadions, noch hin und wieder für Schlagzeilen sorgt.

Dem Wunsch der Bürger, in Freising Eissport ausüben zu können, war die Stadt bereits in den Neunzigerjahren mit einem nicht überdachten und stets als "provisorisch" bezeichneten Eisplatz in der Luitpoldanlage nachgekommen, doch es sollten noch viele Jahre ins Land gehen, bis man sich die Halle dazu leisten konnte und wollte. "Der Weg war weit und anspruchsvoll", resümierte Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher bei der Eröffnung. Die Gesamtinvestition belief sich schließlich auf 6,8 Millionen Euro.

Ganz allein hat die Stadt diese Summe allerdings nicht aufbringen müssen. Mit einer Million Euro in Form von Geld-, Sach- und Arbeitsleistung beteiligte sich der 2010 gegründete Förderverein Eisstadion Freising am Bau des Stadions, ehrenamtliche Helfer aus der Eishockey-Abteilung des SE Freising leisteten 7000 freiwillige Arbeitsstunden - doch genau wegen dieser Beteiligung des Vereins birgt das Thema immer noch Zündstoff. So drücken den Verein enorme Schulden, mit dem modernen Stadion sind die Nutzungsgebühren gestiegen, gleichzeitig fühlt sich der SEF bei der Vergabe der Eiszeiten benachteiligt. "Ganz schön in der Klemme" titelte die Freisinger SZ zuletzt im April 2017.

Fußgängerzone

"Die Fußgängerzone rückt näher" lautete schon in der zweiten Ausgabe der neuen SZ-Lokalausgabe am 4. Mai 1977 die optimistische Überschrift. Die SPD hatte sich hinter den Vorschlag der Stadtverwaltung gestellt, den Marienplatz und den Rindermarkt als Fußgängerzone auszubauen, weil "die Freisinger Innenstadt derzeit durch Autos in ihrer Lebensstruktur zerstört" werde. Später könne diese Zone ausgedehnt werden. Offenbar sahen das auch andere Politiker so, denn am 22. November 1977 wurde unter der Schlagzeile "Kleine Fußgängerzone im Zentrum der Domstadt" berichtet, dass sich die "Stadtväter" für die Einrichtung ausgesprochen hätten. Dass die Pläne trotzdem scheiterten, erfuhren die SZ-Leser am 24. Dezember 1977, nachdem Oberbürgermeister Adolf Schäfer einen "Meinungsumschwung" bei SPD und FDP kritisiert hatte - tatsächlich lehnte der Stadtrat bei nächster Gelegenheit die "kleine Fußgängerzone" ab.

Das Thema aber blieb. In den Neunzigerjahren wurde versuchsweise eine Sperrung der Innenstadt an verkaufsoffenen Samstagen eingeführt. Zum Ende des Jahrzehnts hin wurden die Rufe nach einer dauerhaften Lösung wieder so laut, dass es im März 2001 zu einem Bürgerentscheid kam. Hier allerdings stimmte eine knappe Mehrheit von 52,5 Prozent gegen die autofreie Innenstadt. Dass es diese in absehbarer Zeit dennoch geben wird, ist der neuen Freisinger Innenstadtkonzeption zu verdanken. 2014 - 13 Jahre nach dem Bürgerentscheid - wurde als Teil des neuen Verkehrskonzepts ohne viel Aufhebens auch eine "kleine" Fußgängerzone beschlossen. Immerhin von der Amtsgerichtsgasse bis zur Bahnhofstraße und ein Stück die Ziegelgasse hinauf soll sie reichen - und die Freisinger SZ meldete das unter dem optimistischen Titel "Endlich Vorfahrt für Fußgänger".

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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