Kommentar:Zukunft ist mehr als ein Quartal

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Es gibt gute Gründe für eine dritte Startbahn am Flughafen und gute dagegen. In keinem Fall ist es einer, sich nur auf eine aktuelle Zahl von Flugbewegungen zu beziehen

Von Frank Müller

Wenn eine Stadt über große Projekte debattiert, dann wächst sie buchstäblich über sich hinaus. Dann denkt sie sich in die Zukunft, überlegt, wie sie vielleicht in 20 oder 100 Jahren einmal sein will. Oder auch nicht sein will. Manchmal unternimmt sie dann visionäre bis größenwahnsinnige Dinge, baut eine Ludwigstraße, ein Neues Rathaus oder eine Frauenkirche. Manchmal erschrickt sie auch und verwirft einen Plan. So war es zum Beispiel, als die Stadt beschloss, doch keine autogerechte zu werden und die auf sie zuführenden Autobahnen nicht in einem riesigen Kreuzungsbauwerk in der Stadtmitte zusammenzuführen. Auch das war einmal geplant.

Wie umstritten und unterschiedlich diese großen Projekte von einst auch immer waren - sie haben eine gemeinsame Lehre: Wer die Stadt entwickeln will, der muss an Größeres denken als nur an den aktuellen Bedarf. Der muss eine Idee für die Zukunft haben und dann zum Beispiel einen S-Bahn-Tunnel bauen. Und eine Stadtautobahn vielleicht verhindern, auch wenn die Verkehrszahlen sie als zwingend erscheinen lassen.

Wenn heute die Verantwortlichen über das Großprojekt dritte Startbahn am Flughafen verhandeln, dann fehlt genau dieser Geist. Man kann sehr gute Gründe gegen die Piste anführen. Sie belastet die Umwelt und die Anwohner. Auf der anderen Seite gibt es sehr gute für sie: Sie hält die Stadt konkurrenzfähig im globalen Markt. Viel zu kurz springt aber, wer dieses Jahrhundertprojekt von ein paar zufälligen Quartalszahlen aktueller Flugbewegungen abhängig macht. So argumentierten Startbahngegner und -befürworter gleichermaßen. Für die einen ist das Aus von Transavia der Beweis dafür, dass der Bedarf für die Bahn fehlt. Die anderen sehen schon die neuen Maschinen von Eurowings im Anflug und verlangen den Ausbau.

Diese Entscheidung aber muss eine strategische sein. Und keine aus dem operativen Tagesgeschäft heraus. Denn bei der Startbahn geht es nicht nur darum, ob München sie braucht. Sondern vor allem, ob die Stadt sie will.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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