Kommentar:Vorsicht vor dem Bürger!

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Bürgerbeteiligung ist wichtig, manchmal aber auch gefährlich. Deshalb ist es gut, dass der Stadtrat, wenn es um den Haushalt geht, nur sehr zögerlich Kompetenzen abgibt

Von Dominik Hutter

Bürgerbeteiligung klingt immer gut, und wer darüber ein kritisches Wort verliert, wird gerne als Antidemokrat tituliert. Dabei gilt es gut zu überlegen, wie und bei welchen Themen die Bevölkerung direkt mitreden sollte - eben damit demokratische Grundprinzipien erhalten bleiben. Es ist niemandem geholfen, wenn statt eines repräsentativ gewählten Gremiums, das über eine seriöse Informationsgrundlage und zumeist auch eine entsprechende Diskussionskultur verfügt, ein willkürlicher und oft recht überschaubarer Ausschnitt der Wahlberechtigten entscheidet. Oft sind es dann die üblichen Verdächtigen, die Gschaftlhuber, die die schweigende Mehrheit dominieren.

Bekanntlich neigen viele Leute dazu, nicht das große Ganze zu bedenken, sondern lediglich bei persönlicher Betroffenheit einzugreifen - und das im strikten Eigeninteresse und ohne jede Kompromissbereitschaft. Das ist wenig hilfreich. Manchmal wird Bürgerbeteiligung auch von Lobbyistengruppen unterlaufen, wie Kämmerer Ernst Wolowicz am Mittwoch im Stadtrat schilderte. In Stuttgart habe der Haus- und Grundbesitzerverband die Debatte über einen Bürgerhaushalt gekapert und versuche, auf diesem Weg eine Senkung der Grundsteuer durchzusetzen.

Es ist deshalb richtig, dass München zunächst auf sanftem Weg in den Bürgerhaushalt einsteigt. Dabei soll es keineswegs um klassische Haushaltsfragen, sondern vielmehr um die Finanzierung einer begrenzten Zahl wünschenswerter Projekte gehen. Gut so. Der städtische Haushalt, der mit fast sechs Milliarden Euro eineinhalb Mal so groß ist wie der komplette Landesetat des Saarlands, ist eine komplexe Angelegenheit - viel zu komplex, um ihn in der kompletten Bürgerschaft zu diskutieren. Und viel zu wichtig, um ihn einer kleinen Gruppe von Marktschreiern zu überlassen.

Geht nun auf Stadtbezirksebene alles gut, sollte eine Übertragung auf gesamtstädtische Projekte nicht tabu sein. Auf Projekte wohlgemerkt, nicht auf den Haushalt selbst.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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