Kommentar:Verdis Verrenkungen

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Verdi schickt streikende Pädagogen zurück an den Arbeitsplatz, damit die versprochene Notversorgung funktioniert. Was Eltern aber wirklich bräuchten, ist eine Einigung im Tarifstreit

Von Melanie Staudinger

Der Streik im Sozial- und Erziehungsdienst muss wirklich gut laufen. Immer mehr Erzieher und Kinderpfleger schließen sich in München und der Region an, immer mehr Kitas bleiben geschlossen. Die hohe Beteiligung sollte Verdi freuen, wird nun aber zum Problem: In München gehen die Erzieher aus, die die versprochene Notbetreuung sicherstellen. Dabei sollen die Plätze für verzweifelte Eltern verdreifacht werden. Deshalb schickt Verdi streikende Pädagogen zurück an den Arbeitsplatz. Sie werden zu Streikbrechern mit offizieller Genehmigung. Klingt absurd, ist aber ernst gemeint.

Bei den Lokführern wäre das sicher nicht passiert. Ihr Fall ist aber anders gelagert, denn wenn sie streiken, schaden sie ihrem Arbeitgeber, weil er weniger Tickets verkauft und damit weniger Gewinn macht. Wenn Erzieher streiken, schaden sie der Stadt kaum, zumindest nicht in finanzieller Hinsicht. Vom Ausstand sind vor allem die betroffen, die sich bisher hinter die Erzieher gestellt haben, die Familien. Sie müssen also bei der Stange gehalten werden.

Das beabsichtigte die SPD-Fraktion im Stadtrat, als sie die Kita-Gebühren für Streiktage zurückzahlen wollte - und ist damit böse auf die Nase gefallen, weil das rechtlich gar nicht ging. Das tun die Kommunalpolitiker jetzt, indem sie Eltern leere Räume zur Verfügung stellen wollen, wo diese ihre Kinder in Gruppen betreuen sollen (was ebenso ein Vorschlag mit wenig Aussicht auf Erfolg sein dürfte). Und das macht Verdi, indem die Gewerkschaft streikende Erzieher zum Arbeiten abstellt. Den Eltern aber helfen weder leere Versprechungen noch eine Notbetreuung wirklich weiter. Sie brauchen ihre regulären Kita-Plätze zurück. Wer die Eltern also wirklich unterstützen will, sollte an einer Einigung im Tarifstreit arbeiten. Sonst wird er die Familien als Unterstützer verlieren.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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