Kommentar:Tiefe Schnitte ins Fleisch

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Im Fall Sieber gehen die Behörden viel schärfer vor als seinerzeit bei Müller-Brot und Bayern-Ei. Entsprechend stichhaltig müssen die Beweise sein

Von Christian Sebald

Das ist genau der Verbraucherschutz, den sich jeder wünscht. Als Verbraucherministerin Ulrike Scharf (CSU) und ihre Lebensmittelkontrolleure ihre Beweiskette beisammen hatten, haben sie nicht lange gefackelt und die Geretsrieder Großmetzgerei Sieber geschlossen. Seit Freitagabend darf kein Zipfelchen Fleisch oder Wurst mehr das Werksgelände verlassen. Der Einzelhandel muss georderte Ware zurückgeben. Und die Verbraucher sollen Sieber-Produkte in ihren Kühlschränken vernichten. Aber nicht nur das: Scharf und ihre Behörden sind außerdem sofort mit dem schwerwiegenden Verdacht an die Öffentlichkeit gegangen, dass seit 2012 bis zu 80 Menschen in Deutschland an Listeriose erkrankt und einige wohl daran gestorben sind, weil sie verdorbene Fleisch- und Wurstwaren der Großmetzgerei verzehrt hatten.

Natürlich liegt nun die Vermutung nahe, Scharf und ihre Leute hätten - endlich - aus den zurückliegenden Lebensmittelskandalen à la Müller-Brot oder Bayern-Ei gelernt. Bei Müller-Brot verhängten die Kontrolleure über Jahre hinweg Buß- und Zwangsgelder wegen der ekelerregenden Zustände in den Backstuben - nur die Kunden erfuhren nichts davon. Und bei Bayern-Ei lenkten erst Medienberichte die Aufmerksamkeit darauf, dass von dem niederbayerischen Unternehmen offenkundig ein europaweiter Salmonellen-Ausbruch mit Hunderten Erkrankten und zwei Toten ausgegangen ist. Wenig verwunderlich also, dass es selbst in der CSU Rufe nach einem schärferen Durchgreifen der Kontrollbehörden gibt.

Die Wahrheit bei Sieber dürfte indes schlichter sein. Scharf und ihre Kontrolleure sind sich dieses Mal einfach sicher, dass sie so erdrückende Beweise gegen die Großmetzgerei haben, dass sie eine so drakonische Maßnahme wie die aktuelle Betriebsschließung durchhalten können. Denn natürlich wird Sieber alles daran setzen, sie möglichst schnell außer Kraft zu setzen und gegen die Kontrollbehörden vorzugehen. Für das Fleisch-Unternehmen geht es jetzt um die Existenz. So wie es für die Bevölkerung um die Glaubwürdigkeit im Verbraucherschutz geht. Man kann Scharf und ihren Behörden nur wünschen, dass ihre Beweise gegen Sieber wirklich stichhaltig sind.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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