Kommentar:Ökonomische Analphabeten

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Die Münchner investieren zwar mehr als andere Deutsche in Aktien. Es ist aber immer noch wenig. Das hat auch damit zu tun, dass die Wirtschaft im deutschen Bildungskanon nur eine Nebenrolle spielt

Von Katja Riedel

Joachim Wenning könnte es demnächst Dagobert Duck nachmachen und den Tag als neuer Vorstandsvorsitzender der Munich Re mit einem Kopfsprung in den Geldspeicher beginnen. Denn der Rückversicherer lagert nun zweistellige Millionenbeträge lieber im Tresor als auf der Bank. Als Test, ob sich damit in zinslosen Zeiten wie diesen Kosten sparen lassen.

Wohin nur mit dem Geld? Das fragen sich auch Menschen mit kleinen Ersparnissen. Jeder fünfte Münchner hat die Investition in Aktien als Antwort darauf gefunden. Mit Wertpapieren lässt sich langfristig meistens Geld verdienen. Jeder zweite Münchner überlegt, damit seine Altersvorsorge mitzugestalten. Das ist auch sinnvoll - basiert die gesetzliche Altersvorsorge doch nicht nur auf dem ohnehin schon weitgehend ausgehebelten Generationensystem, sondern auch auf Wachstum, auf Zins und Zinseszins. Hier herrscht ebenfalls Ebbe. Und das wird sich, glaubt man Finanzexperten, so schnell nicht mehr ändern.

Dass München Spitzenreiter ist, wenn es um die Alternative Wertpapiere geht, ist erfreulich. Doch die Münchner sind, was diesen Teil ihrer Absicherung angeht, bisher eher Einäugige unter Blinden. Dass viele vor Aktien und anderen Finanzinvestitionen zurückscheuen, ist allerdings nicht verwunderlich. Viele der Produkte sind so kompliziert, dass sie kaum jemand versteht. Und die Finanzkrise hat die Menschen vorsichtiger gemacht. Dennoch heißt es nicht, dass jeder, der in Wertpapiere investiert, ein großes Risiko eingeht. Er muss es nur lernen. Im deutschen Bildungskanon spielt die Wirtschaft jedoch nur eine Nebenrolle. Noch immer gibt es auch an bayerischen Schulen kein für alle verpflichtendes Fach, das sich mit Geld und Wirtschaft auseinandersetzt. Abiturienten können zwar den Satz des Pythagoras erklären, haben im Idealfall ein Faust-Zitat im Kopf, aber scheitern daran, den Leitzins zu definieren, geschweige denn die Dax-Unternehmen aufzuzählen. Die Deutschen sind ein Volk ökonomischer Analphabeten. Wer nicht lesen kann, kauft kein Buch. Und wer sich nicht mit Aktien auskennt, keine Wertpapiere.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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