Kommentar:Mit allerhöchster Priorität

Lesezeit: 2 min

Projekte kommen jetzt auf die Liste statt auf die lange Bank

Von Christian Krügel

Früher hatte man einfach ein paar Vorsätze fürs neue Jahr: Weniger essen, weniger trinken, viel sportlicher und auch ein wenig netter sein, solche Sachen halt. Das reicht natürlich für 2017 nicht. Im Internet sind ja "Listings" schon lange der Renner, etwa "18 Katzen, die Weihnachtsbäume wirklich, wirklich super finden". Die Welt verlangt danach, in solche Listen eingeteilt zu werden, und also tun das unsere Politiker auch. Wobei es für sie schon mehr sein muss: Ob Stadt- und Gemeinderäte, ob Minister und Bürgermeister - landauf, landab wurden zum Jahresende "Prioritätenlisten" für die eigene politische Arbeit 2017 angekündigt. Priorität - das klingt ja auch wichtig, zumal in ihrer Steigerung. Wenn etwa im Gemeinderat Huglhapfing davon die Rede ist, dass der Kanalanschluss von Hinterhuglhapfing 2017 "alleroberste, ja sogar höchste Priorität" haben wird, dann ist der Bürger schon mächtig beeindruckt.

Nun wurden in den vergangenen Wochen allerdings auch zwei Prioritätenlisten angekündigt, die einen stutzen lassen. Verkehrsminister Joachim Herrmann versprach, bis zur Mitte des Jahres 2017 mit der Bahn eine Prioritätenliste für den Ausbau der Münchner S-Bahn zu erarbeiten. Da könne dann vieles drauf stehen, etwa ein Nordring oder ein kleiner Südring, vielleicht auch viel mehr viergleisige Strecken im Umland. Wer seit Jahrzehnten pendeln muss, erinnert sich freilich an viele solche Listen und auch daran, dass Otto Wiesheu, Herrmanns Ur-Vorgänger als Verkehrsminister, 2001 dem Bau eines neuen S-Bahntunnels höchste, wenn nicht sogar oberste Priorität eingeräumt hatte - 15 Jahre später gibt es eine Finanzierung, 26 Jahre später soll die Röhre fertig sein.

Wenn Priorität also ungefähr zweieinhalb Jahrzehnte bis zur Umsetzung bedeutet, dürfte das auch mit der Prioritätenliste spannend werden, die Oberbürgermeister Dieter Reiter gefordert hat. Der Stadtrat müsse zum neuen Jahr klar priorisieren, was sich die Stadt künftig noch leisten wolle, so Reiter. Wolle man die Schulen sanieren oder doch lieber den Gasteig? Ein neues Volkstheater oder lieber einen neuen Tunnel an der Landshuter Allee bauen? Die Stadträte müssten sich auf Prioritäten einigen. Nun weiß freilich Reiter am allerbesten, dass das schon in seiner SPD-Fraktion schwierig genug werden dürfte, geschweige denn mit den Partnern von der CSU. Am Ende dürfte nicht die allerhöchste Priorität, sondern der kleinste gemeinsame Nenner das Ergebnis sein. Deshalb ist es mit Prioritätenlisten eben doch so wie mit guten Vorsätzen: Am Ende des Jahres ist man froh, wenn man sich zumindest an einen noch erinnern kann.

© SZ vom 02.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: